Wien
Verein Minibambini? "Da war ich sehr ang’fressen!"
Neue Liebe, Kiga-Förderskandale, seine Kochkünste und "Unsicherheitszone Brunnenmarkt": "Heute" plauderte mit Wiens Vize-Stadtchef Wiederkehr.
Frisch verliebt und gut gelaunt präsentierte sich Wiens Vize-Stadtchef und Neos-Chef Christoph Wiederkehr beim Sommer-Interview mit "Heute". Als Ort des Gesprächs hat der Bäderstadtrat das legendäre Gänsehäufel in Wien-Donaustadt gewählt. Nach einer kurzen Tour durchs Bad – inklusive Wassertest im Wellenbecken – stellte sich Hausherr Wiederkehr auf einer Restaurant-Terrasse am Wasser den Fragen. Sogar ein paar neugierige Karpfen verfolgten das Gespräch.
Wiederkehr zu seinen Badegewohnheiten
"Ich bin sehr gerne im Naturgewässer – alte Donau finde ich super. Aber auch ab und zu in Wiens Freibädern. So oft komme ich ja nicht dazu. Wenn ich im Sommer frei habe, bin ich auch außerhalb von Wien, weil ich da natürlich besser entspannen kann."
Seine neue Liebe
"In einem Wiener Bad war ich mit ihr noch nicht, werde ihr aber auf jeden Fall bald das Gänsehäufel zeigen, weil es zu Wien dazu gehört, Wiener Kultur ist. An der alten Donau waren wir schon. Colleen ist Amerikanerin aus dem Süden von New York, war schon einige Male in Wien – und liebt die Stadt." Kennen gelernt hatte Wiederkehr die US-Amerikanerin in Wien, genauer auf der Hochzeit seiner besten Freundin vor eineinhalb Jahren. "Die beiden haben zusammen studiert. Ich hab mich sehr rasch in Colleen verliebt und wir waren im vergangenen Jahr auch auf Sommerurlaub gemeinsam. Wir sind vor einem Jahr zusammen gekommen – trotz der großen räumlichen Entfernung. Und ich bin sehr froh über diese tolle Beziehung."
Drohendes Chaos zum Schulstart
Der Lehrermangel sei in ganz Österreich "eine extreme Herausforderung". Hier habe die Bundesregierung jahrelang geschlafen und zu wenige Pädagogen ausgebildet. "Vor zehn Jahren hat sie selbst noch gesagt ’Werdet nicht Lehrer’. Jetzt sieht man, das war ein großer Fehler." Der Fachkräftemangel sei "eklatant und wir tun in Wien alles, um möglichst viele Lehrkräfte zu gewinnen. Ziel ist es, jede offene Stelle zu besetzen. Garantiert ist, dass jedes Kind einen guten Unterricht bekommt. Aber es ist auch jetzt über den Sommer noch viel Arbeit."
"Wichtig ist hier der Quereinstieg, den wir mit dem privaten Programm "Teach for Austria" massiv forciert haben und mit dem wir auch sehr gute Erfahrungen machen. Mein Wunsch an die Bundesregierung ist, dass dieser Quereinstieg, der jetzt in der Mittelschule möglich ist, auch in der Volks- und Sonderschule in Zukunft möglich ist. Hier gibt es eine Blockadehaltung der Bundesregierung. Ich bemühe mich seit einem Jahr darum und werde auch weiter hartnäckig dahinter bleiben."
Gratis-Essen an Wiener Ganztagesschulen
"Das gibt es sonst nirgends in Österreich, damit haben wir ihn Wien Pionierarbeit geleistet. Mit leerem Magen lernt es sich nicht gut. Und wir merken durch die extreme Teuerung, dass sich viele Familien das Mittagessen nicht mehr leisten können. Und wenn es dann in der Schule ein warmes Mittagessen gibt, ist das gut für die Gesundheit, aber auch für das soziale Zusammenleben. Weil zusammen Mittag zu essen auch ein Kulturgut ist, das erlernt werden muss."
Verpflichtender Veggie-Tag an Schulen
"Ich selbst esse ein paar Mal pro Woche fleischlos – aus gesundheitlichen Aspekten und auch aus Klima-Aspekten. Der Veggie-Tag an Schulen ist gut für die Gesundheit und gut fürs Klima", so Wiederkehr. Es gebe viele interessante vegetarische Optionen. Preislich mache das aber keinen Unterschied zu Fleisch-Gerichten.
Er selbst habe erst am Tag vor dem "Heute"-Interview vegetarisch für sich und seine Freundin gekocht. Es gab Eierschwammerl-Gulasch mit Semmelrolle. "Hat mir sehr gut geschmeckt – und Colleen auch zum Glück. Sie kannte das gar nicht." Er koche sehr gerne selbst – und meistens sogar vegetarisch oder Fisch.
ÖVP-Kampf gegen Ganztagesschulen
Die ÖVP wettere seit Jahres aus ideologischen Gründen dagegen. Sie würde einfach wollen, dass die Frauen bei den Kindern zu Hause bleiben und nicht arbeiten gehen. "Ich habe da ein anderes Weltbild. Ich finde, Beruf und Familie muss man vereinbaren können. Da sind ganztägige Schulformen eine gute Option."
Angespannte Lage in den Kindergärten
Der Kindergarten sei die erste und wichtigste Bildungseinrichtung. "Er ist die erste Sprosse auf einer Chancenleiter hin zu einem selbstbestimmten und guten, gelungenen und glücklichen Leben", so Wiederkehr. Wien habe heuer erstmals über eine Milliarde Euro, das entspricht ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts Wiens, in die Kindergärten investiert, um das Angebot und die Qualität weiter zu steigern.
Ein Fokus sei die deutsche Sprache, die sehr früh gefördert werden müsse. Wien stocke daher die Sprachförderkräfte auf, stellt heuer 100 neue Kräfte ein.
Weiters sei die Anzahl der Assistenzstunden im vergangenen Kindergartenjahr verdoppelt worden. Das sei in Zeiten von Pädagoginnenmangel wichtig, um diese zu entlasten und den Beruf attraktiver zu machen. An großen Standorten sei es weiters eine Option, Administrationskräfte wie an den Schulen einzuführen. "Wir schauen uns das gerade an. Und an manchen Standorten machen wir das sogar schon", so Wiederkehr. Darüber hinaus gebe es weitere Überlegungen, wie das Personal entlastet werden könne.
Pädagogische Berufe seien "die wichtigsten, die wir in der Republik haben. Hier wird Zukunft geschaffen", ist der Bildungstadtrat überzeugt. "Mein Ziel ist bis 2025 2.500 neue Pädagoginnen und Pädagogen für den Kindergarten zu motivieren", so Wiederkehr. Ein besonderer Fokus liege hier auf männlichen Pädagogen.
Das ganze Interview mit Christoph Wiederkehr
Förderbetrug im Kindergarten
Der Fall "Minibambini" – der Kindergartenbetreiber soll massiven Fördergeldmissbrauch betrieben haben, der Staatsanwalt ermittelt – sei "sehr ärgerlich" gewesen, so Wiederkehr. "Da war ich sehr ang’fressen!" Wien habe die Kontrollen verschärft um zu zeigen: "Fördermissbrauch wird in dieser Stadt nicht toleriert!", erklärt der Vize-Stadtchef. Seit dem Fall "Minibambini" habe die Stadt mehr als 1.000 Kontrollen durchgeführt. "Wir gehen kompromisslos vor, wenn private Betreiber versuchen, öffentliche Gelder zweckwidrig zu verwenden."
"Unsicherheitszone Brunnenmarkt"
Wiens ÖVP-Chef Karl Mahrer sorgt derzeit mit einer Reihe von Videos für Aufregung. Der erste Clip behandelte die angebliche "Unsicherheitszone Brunnenmarkt". Wiederkehr ist kein Fan: "Herr Mahrer hat am Brunnenmarkt nicht Unsicherheit aufgedeckt, sondern Unsicherheit gestiftet durch eine unanständige und wirtschaftsfeindliche Politik. Ich lebe selber dort, gehe jeden Tag über den Brunnenmarkt und sehe jeden Tag, wie dort die Marktstandler um 6 Uhr früh schon arbeiten, damit es im Grätzel eine gute Infrastruktur und gute Versorgung mit Gemüse, Obst und auch Fleisch gibt", so Wiederkehr. Mahrer habe die Marktstandler verunglimpft, die sich dort etwas aufgebaut haben. Diese würden jeden Tag hart arbeiten und Arbeitsplätze schaffen.
Die ÖVP sei für die Sicherheit zuständig, stelle seit Jahren den Innenminister. "Wien braucht zumindest 1.000 neue Polizisten", so Wiederkehr. Wenn die ÖVP ernsthaft über Sicherheit reden wolle, solle sie Wien mehr Polizei zu Verfügung stellen. "Ich halte es für Notwendig".
Integrationsprobleme in Wien
Das Problem seien "sicher nicht ausländische Marktstandler", ist der Integrationsstadtrat überzeugt. Ohne sie hätten wir gar keinen Markt mehr. "Die Wiener Märkte sind unglaublich wichtig", so Wiederkehr. "Es gibt gute und schlechte Menschen. Und es gibt auch viele, mit denen wir ein Problem haben. Auch mit Zugewanderten."
"Ich erwarte mir von Zugewanderten natürlich, dass sie sich an die Regeln halten. Und vor allem zwei Dinge: Die deutsche Sprache zu lernen und einer Arbeit nachzugehen." Nur so könne man in Österreich gut leben und Teil der Gesellschaft werden und sich integrieren. Die Herausforderungen seien "riesig", wie die "viel zu hohe Quote an Arbeitslosigkeit bei Zugewanderten".
Problem deutsche Sprache
Wien setze hier Maßnahmen, um die deutsche Sprache zu forcieren und auch einzufordern. Hier müsse man früher ansetzen: "Ich bin dafür, dass Kinder, die nicht ausreichend Deutsch können, im Sommer verpflichtet werden können, einen Deutschkurs in der Schule zu machen. Die ÖVP blockiert das.
Anerkennung von Berufsausbildung Zugewanderter
Es sei für den Standort Österreich "ein Riesenproblem", dass gut ausgebildete Menschen hier nicht arbeiten dürfen, weil ihre Berufsqualifikation hier nicht anerkannt werde. "So ehrlich muss man sein: Wir brauchen mehr qualifizierte Zuwanderung", so der Integrationsstadtrat. Unqualifizierte Zuwanderung müsse man begrenzen, qualifizierte andererseits erhöhen. "Österreich ist am internationalen Arbeitsmarkt extrem unattraktiv", fordert Wiederkehr eine Neuregelung der Rot-Weiß-Rot-Card. Die Nostrifizierung (Anm.: Annerkennung) von Ausbildungen sei "absurd kompliziert. Das ist Raketenwissenschaft!".
"Österreich hat in den letzten Jahren, vor allem von der ÖVP verantwortet, integrations- und zuwanderungspolitisch das Schlechteste gemacht: Viel irreguläre Zuwanderung und denen, die wir brauchen, das Leben schwer gemacht." Die Integrationspolitik sei "vollkommen gescheitert", urteilt Wiederkehr hart. Wichtig sei ihm "Integration von Tag 1 an. Deutsch lernen am besten noch, bevor man nach Österreich kommt. "Spätestens wenn man hier ist, soll man die deutsche Sprache lernen", stellt der Vize-Stadtchef klar. Er sei auch offen, über stärkere Verbindlichkeiten nachzudenken. Wie eben verpflichtende Sprachkurse im Sommer. Der Stadt Wien seien hier aber die Hände gebunden, verweist Wiederkehr auf den Bund.
Jolly oder Twinni? Was ist "normal"? Wiederkehr im Wordrap
Rot-Pinke "Punschkrapferl-Koalition" in Wien
Er esse noch immer gerne Punschkrapferl und regiere auch gerne. Die vergangenen knapp drei Jahre seien mit Pandemie, Teuerungen und Ukraine-Krieg voller Herausforderungen gewesen. Die Neos seien "der Motor der Koalition", Wiederkehr verweist auf den Regierungsmonitor der die Phasen der Umsetzung des Regierungsübereinkommens zeigt, sowie auf die Sonntagsöffnung der Gastronomie auf den Wiener Märkten und die Abschaffung der "Luftsteuer" und massive Investitionen in Schulen und Kindergärten.
Man habe in vielen Bereichen unterschiedliche Ansichten, arbeite aber "sehr gut zusammen. Ich bin zufrieden", so Wiederkehr, der die Neos nicht als "Beiwagerl" der SPÖ unter Bürgermeister Michael Ludwig sieht. Und er habe noch Gusto auf einen Nachschlag: "Wenn es passt" sei er bereit, noch eine Periode gemeinsam mit der SPÖ zu regieren.
FPÖ-Chef Herbert Kickl als Bundeskanzler?
"Den wird es nicht geben. Wir sehen ja immer was passiert, wenn die FPÖ regiert: Es endet immer auf der Anklagebank. Und die Korruptionsskandale der letzten schwarz-blauen Regierung beschäftigen Österreich noch immer massiv." Viele Gesetze seien aufgehoben worden, weil sie verfassungswidrig gewesen seien. Strukturreformen die nicht angegangen worden seien. Die FPÖ bringe inhaltlich substanziell nichts weiter. Die Regierungsbilanz der FPÖ sei "sehr, sehr schlecht und schade Österreich".
Koalition von Neos mit SPÖ und Grüne?
Regieren ist kein Selbstzweck. Wir werden nur in eine Regierung gehen, wenn wir Neos-Themen voranbringen. Wenn Bildungsreformen bundesweit vorangehen, wenn es Entlastungen gibt, weil die Steuern viel zu hoch sind und wenn es ein klares Bekenntnis zur EU gibt. Herr Babler hat in zwei dieser Punkte eine sehr problematische Haltung." Babler habe "voller Inbrunst die EU diffamiert, so Wiederkehr. "Mit der EU spaßt man nicht, weil sie uns Frieden und Wohlstand sichert." Der Ansatz des SPÖ-Chefs zu Steuern und Arbeitszeitverkürzung sei "höchst wirtschaftsfeindlich". Eine Wochenarbeitszeit von 32 Stunden sei "weltfremd" und würde uns "massiv Wohlstand kosten".
"Mit einem normalen Job kann man sich nichts aufbauen. Und das ist ungerecht!", so Wiederkehr. Er sehe es als seine Aufgabe als Politiker, diese Themen aufzugreifen und Vorschläge zu machen, wie man es ändert. Die Einkommenssteuer müsste massiv gekürzt werden, damit den Leuten mehr zum Leben bleibe. "Der Mittelstand wird über die Teuerung ausgeblutet", so der Vize-Stadtchef.