Mysterium am Himmel
US-Drohnensichtungen – Was wir bisher (nicht) wissen
Seit Mitte November 2024 wurden vor allem entlang der US-Ostküste vermehrt Sichtungen mysteriöser Drohnen gemeldet.
Was ist los in den USA? In den letzten Wochen gingen beim FBI über 5000 Meldungen von mutmaßlichen Drohnensichtungen ein. Es begann in New Jersey und breitete sich dann weiter aus. Mittlerweile gingen etwa auch in Texas, New York, Pennsylvania, Ohio, Massachusetts, Kalifornien und Florida Meldungen zu Drohnensichtungen ein. Das ist der Stand der Dinge.
Warum sind die Menschen so besorgt?
Neben der großen Zahl der vermeintlichen Sichtungen sorgen auch die Orte für Aufregung: So wurden einige der Drohnen in der Nähe von militärischen Einrichtungen gesehen. Deshalb wurde bereits der Luftraum des Luftwaffenstützpunkts Wright-Patterson in Ohio mehrere Stunden lang gesperrt. In Utah wurden kürzlich Drohnen in der Nähe des Luftwaffenstützpunkts Hill gesichtet. Der Betrieb sei jedoch nicht betroffen gewesen, so Sprecher Thomas Mullican zu Usatoday.com. Es gab den Verdacht, Russland könnte dahinter stecken.
Auch die gegensätzlichen Aussagen des aktuellen und des designierten US-Präsidenten tragen nicht zur Beruhigung bei. Während Joe Biden an den Sichtungen "nichts Schändliches sieht", wie er am Dienstag vor Reporterinnen und Reportern im Weißen Haus erklärte, behauptete Donald Trump auf seiner Plattform Truth Social, die Biden-Regierung wisse, was passiere. "Aus irgendeinem Grund wollen sie die Menschen in Atem halten." Er fordert die Demokraten auf, die Öffentlichkeit zu informieren, "und zwar sofort! Sonst schießt sie ab!".
"Shoot them down" – Warum Trumps Vorschlag keine gute Idee ist
Selbstjustiz ist keine gute Idee, so Vic Moss von der Drone Service Providers Alliance gegenüber "Live Now": "Es ist nicht nur gesetzeswidrig, es ist auch unglaublich gefährlich." Etwa, wenn man statt auf ein unbemanntes Flugobjekt auf ein bemanntes schießen würde. Das könnte auch für die Menschen am Boden heikel sein, so ETH-Drohnenexperte Roland Siegwart zu 20 Minuten: "Übertriebene Reaktionen erhöhen die Gefahr für die Bevölkerung in den meisten Fällen." So kämen etwa unkontrolliert Teile und die Geschosse vom Himmel.
Auch das FBI warnt davor. Genauso wie davor, mit Laserpointern auf vermeintliche Drohnen zu zielen: Es verweist auf eine steigende Zahl von Piloten in der Region, die von Laserstrahlen in die Augen getroffen worden seien, nachdem sie von jemandem am Boden fälschlicherweise für eine Drohne gehalten wurden. Das könne tödliche Folgen haben.
Sind es denn wirklich alles Drohnen?
Nach wie vor ist unklar, wie viele Drohnen tatsächlich in den letzten Wochen unterwegs und ob es wirklich außergewöhnlich viele waren. Laut dem US-Verteidigungsministerium gibt es in den USA über eine Million Drohnen, von denen jeden Tag etwa 8.500 Drohnen starten würden.
Seit November wurden über 5.000 Drohnensichtungen gemeldet, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme vom US-Ministerium für Innere Sicherheit (DHS), der US-Luftfahrtbehörde FAA, dem US-Verteidigungsministerium und dem FBI. Darunter sicher auch Doppelmeldungen. Daraus hätten sich – Stand 17. Dezember – rund 100 Hinweise ergeben. "Nach genauer Prüfung der technischen Daten und Hinweise besorgter Bürger gehen wir davon aus, dass die bisherigen Sichtungen eine Kombination aus legalen kommerziellen Drohnen, Hobbydrohnen und Polizeidrohnen sowie bemannten Starrflügelflugzeugen, Hubschraubern und Sternen umfassen, die fälschlicherweise als Drohnen gemeldet wurden."
Laut FBI könnten die vermeintlichen Drohnen auch mit Satelliten in niedriger Umlaufbahn oder Himmelskörpern wie Planeten oder Sternen verwechselt werden. Wie etwa im Fall des Ex-Gouverneurs von Maryland, Larry Hogan, der verwackelte Bilder von Objekten im Himmel auf X postete und Antworten forderte. Die bekam er rasch von der X-Community, die ihn darauf hinwies, dass er das Sternbild Orion und die Sterne Sirius und Prokyon gefilmt hatte.
Manche Meldungen sind auch nicht aktuell und wurden aus dem Zusammenhang gerissen.
Die Behörden weisen darauf hin, dass Sichtungen in der Nähe von oder über Einrichtungen des Verteidigungsministeriums nichts Neues seien. Es gebe auch keine Hinweise auf "ausländische Einmischung".
Drohnen suchen nicht nach radioaktivem Material
Einigen Stimmen zufolge sollen die Drohnen nach radioaktivem Material suchen, das verloren gegangen sein soll. An der Behauptung, die nicht nur auf Social Media, sondern auch vom Bürgermeister der Gemeinde Belleville (New Jersey) im TV geäußert wurde, soll jedoch nichts dran sein, wie Abcnews.com schreibt. So wurde laut der U.S. Nuclear Regulatory Commission am 2. Dezember zwar tatsächlich ein Gerät mit dem radioaktiven Isotop Germanium-68 als verloren gemeldet, das als Strahlungsquelle für ein CT-Gerät des Nazha Cancer Center dient. Doch schon kurz darauf war es wiedergefunden worden, wie James Dalzell vom Nazha Cancer Center "ABC News" bestätigte. Eine Gefahr hat laut Umweltschutzministerium von New Jersey (NJDEP) nicht bestanden: Die Strahlungsquelle sei "sehr schwach" und deshalb "für den Versand durch Spediteure wie FedEx zugelassen". Die Behörde erklärte außerdem, dass zur Ortung des fraglichen radioaktiven Materials keine Drohnen eingesetzt worden seien.
Wie kann man Drohnen verwechseln?
Fliegen sie dicht über den Köpfen, erkennt man sie leicht. Doch fliegen sie höher oder in weiterer Entfernung, kann es leicht zu Verwechslungen kommen, so Elizabeth Warner vom Astronomy Observatory der University of Maryland zur "Washington Post" (Bezahlartikel): "Es ist sehr schwer, die Größe eines Objekts am Himmel zu messen, wenn es nichts anderes am Himmel gibt, mit dem man es vergleichen kann." Deshalb setzen Fachleute wie etwa das FBI auf spezielle Tools zur visuellen Identifizierung. Ein Handy oder normale Kameras reichen da nicht, so Dirk Labudde, der sich als Experte für Video-Forensik mit der Analyse und Verifizierung von Videoaufnahmen beschäftigt, zu "20 Minuten".
Wieso schenken dann so viele Menschen den Handyvideos Glauben?
Dafür gibt es verschiedene Gründe: Laut Greg Eghigian, Geschichtsprofessor an der Pennsylvania State University und Autor des Buches "After the Flying Saucers Came: A Global History of the UFO Phenomenon" (Nachdem die fliegenden Untertassen kamen: Eine globale Geschichte des UFO-Phänomens), lenken Menschen ihre Aufmerksamkeit oft auf Ereignisse, die ihnen bedrohlich erscheinen. "Es unterscheidet sich nicht vom Phänomen des 'Doomscrolling', bei dem viele Leute nicht wegsehen können", sagte er. "Sie geraten immer wieder in diese 'Rabbit holes', die sie nervös machen." Und sie wüssten nicht, wie sie da wieder rauskommen.
Die Bilder des Tages
Die Thematisierung der vermeintlichen Drohnensichtung auf Social Media verstärke das Problem noch. Es verleite dazu, weiterhin in den Himmel zu schauen, in der Hoffnung etwas zur Diskussion beizutragen. Dadurch könnte das Thema gewichtiger erscheinen, als es ist. "Manche Leute sehen es als ihre Aufgabe an, Politiker herauszufordern", sagte er zur "Washington Post" (Bezahlartikel). "Dann gibt es da draußen auf der Welt diese größere Gruppe von Leuten, die das als etwas Spannendes empfinden, an dem sie teilhaben können. Es ist eine Einladung für die Leute, zu sagen: 'Vielleicht bin ich derjenige, der es knackt' oder 'Ich habe eine Perspektive, die sonst niemand vertritt'."
Was wird derzeit unternommen, um die Drohnenfrage zu klären?
Die Behörden gehen weiterhin den Meldungen nach. Das FBI Newark, die New Jersey State Police und Dutzende anderer Behörden seien seit mehreren Wochen jede Nacht unterwegs, "um die Antworten zu finden, die die Öffentlichkeit sucht". Die US-Luftfahrtbehörde FAA hat zudem den Einsatz von Drohnen an 22 Infrastrukturstandorten in New Jersey und an weiteren 29 im Bundesstaat New York für 30 Tage verboten. Das Verbot gilt bis zum 17. Jänner. Die Anordnung der FAA besagt, dass unbemannte Flugzeuge innerhalb einer Seemeile des in jeder Stadt festgelegten Luftraums nicht tiefer als 400 Fuß operieren dürfen. Die Anordnung sieht einige Ausnahmen für Ersthelfer und bestimmte kommerzielle Drohnen vor. Wer sich nicht daran hält, riskiert, von der Polizei festgenommen zu werden.
Bei diesem Schritt handle es sich um eine reine Vorsichtsmaßnahme, so das US-Ministerium für Innere Sicherheit zu "ABC News": "Wir gehen weiterhin davon aus, dass im Zusammenhang mit den gemeldeten Drohnensichtungen keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit besteht."
Auf den Punkt gebracht
- Seit Mitte November 2024 wurden entlang der US-Ostküste vermehrt mysteriöse Drohnensichtungen gemeldet, was zu über 5000 Meldungen beim FBI führte.
- Trotz der Besorgnis der Bevölkerung, insbesondere wegen Sichtungen in der Nähe militärischer Einrichtungen, gibt es bisher keine Hinweise auf ausländische Einmischung oder eine tatsächliche Bedrohung, und viele der Sichtungen könnten auf Verwechslungen mit Himmelskörpern oder anderen Flugobjekten zurückzuführen sein.