Experten-Analyse

Urteil gegen Le Pen: "Damit ist Karriere fast zu Ende"

Seit Jahren will sie Präsidentin werden – jetzt darf Marine Le Pen nicht einmal kandidieren. Das Urteil analysiert ein Frankreich-Experte.
31.03.2025, 20:12

Schock in Frankreich: Ein Gericht in Paris hat Marine Le Pen am Montag wegen Veruntreuung von EU-Geldern zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren, zwei davon auf Bewährung, zwei per Fussfessel, verurteilt. Am härtesten trifft die Rechtsaußen-Politikerin wohl die mit sofortiger Wirkung verhängte Strafe, nicht mehr für politische Ämter bei Wahlen antreten zu können. Der Frankreich-Experte Gilbert Casasus beantwortet die wichtigsten Fragen:

Im Vorfeld sagte Le Pen, dass ein solches Urteil ihren "politischen Tod" bedeutete. Ist das nun so?

Ja, das Urteil ist das Schlimmste, was ihr passieren konnte und eine sehr schwere politische Niederlage für sie. Ich würde sagen, damit ist ihre Polit-Karriere fast zu Ende. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Ihr Anwalt hat bereits Berufung angekündigt. Das ändert aber nichts daran, dass sie während fünf Jahren für kein politisches Amt kandidieren darf, denn eine Berufung wäre ausschließlich unter der Bedingung erfolgreich, sie wäre unschuldig, was sie eben nicht ist. Sowieso ist davon auszugehen, dass ein Verfahren nicht rechtzeitig abgeschlossen sein dürfte.

„Das Urteil ist das Schlimmste, was ihr passieren konnte“
Gilbert CasasusFrankreich-Experte zum Le-Pen-Urteil

Also wird sie definitiv nicht die nächste Präsidentin?

Bei der Präsidentschaftswahl in zwei Jahren wird sie mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht antreten können. Rein juristisch wäre eine Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl 2032 wieder möglich – ich glaube aber nicht, dass das eintreten wird. Mit dem einschneidenden Urteil sind ihre Chancen praktisch auf null gesunken, denn bis in sieben Jahren werden andere in den Vordergrund rücken. Für ihr politisches Projekt ist es der Todesstoß, aber kein Todesstoß für die französische Demokratie!

Le Pens Partei, das Rassemblement National, spricht von einem "politischen Urteil".

Die Justiz hat hier schlicht ein Gesetz angewendet, das 2016 mit großer Mehrheit verabschiedet wurde. Es wurde eingeführt, um mehr Transparenz bei der Parteienfinanzierung zu schaffen. Der Entzug des passiven Wahlrechts mit sofortiger Wirkung ist darin ausdrücklich vorgesehen. Wer von einem "politischen Urteil" spricht, stellt letztlich den Rechtsstaat infrage. Es ist bezeichnend, dass ausgerechnet der Kreml und Viktor Orbán das Urteil kritisieren und zeigt, in welchem Umfeld sich die Partei bewegt.

Le Pen ist die beliebteste Politikerin des Landes. Wie wird die Bevölkerung auf das Urteil reagieren?

Die gesellschaftliche Spaltung in Frankreich wird weiter zunehmen: Zwar wird ein Großteil der Bevölkerung das Urteil als gerechte Strafe ansehen, doch ein ebenso großer Teil der Gesellschaft könnte das Urteil ablehnen. Es drohen Proteste, vielleicht sogar Ausschreitungen. Es könnte eine Entwicklung wie etwa in den USA oder anderswo in Europa geben, wo der Rechtsstaat immer mehr zur Angriffsfläche der Politik wird und Politiker gewählt werden, die sich selbst nicht an rechtsstaatliche Prinzipien halten.

Was erwarten Sie von Le Pen?

Sie wird versuchen, politisches Kapital aus dem Urteil zu schlagen – sich als Justizopfer inszenieren. Die Umkehrung der Rollen vom Täter zum vermeintlichen Opfer ist typisch für rechtspopulistische Parteien. Ihre Partei dürfte zwar davon profitieren können, doch das ändert nichts daran, dass Le Pen 2027 nicht Präsidentin werden kann. Als Fraktionsvorsitzende wird sie im Parlament bleiben und könnte dort versuchen, einen Teil der Opposition dazu zu bringen, die Regierung mithilfe eines Misstrauensvotums zu schwächen, auch wenn sie damit ihr eigenes Abgeordnetenmandat aufs Spiel setzt.

Wer rückt in der Partei jetzt in den Vordergrund?

Die Partei steht vor einem Umbruch. Im Zentrum steht jetzt der Parteipräsident Jordan Bardella, er wird höchstwahrscheinlich 2027 als Präsidentschaftskandidat antreten. Der 29-Jährige teilt größtenteils die Ansichten von Le Pen, gilt aber als moderneres Gesicht des Rassemblement National. Er ist in den sozialen Medien präsent und kommt bei jungen Menschen gut an. Er hat zwar das Profil, um Präsident zu werden – schaut man aber genauer hin, offenbaren sich auch inhaltliche Schwachstellen. So oder so beginnt mit ihm eine neue Phase – und wohl auch das Ende der Ära Le Pen. Seit über 40 Jahren war die französische Politik vom Namen Le Pen geprägt – zuerst durch ihren Vater Jean-Marie, danach durch Marine. Dieses Kapitel scheint nun geschlossen, sollte sich die Enkelin Marion nicht zu Wort melden, was zurzeit wenig realistisch ist.

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Gilbert Casasus ist emeritierter Professor für Europastudien und Direktor des Zentrums für Europastudien an der Universität Freiburg.

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