Auflauf im Gerichtssaal

Urteil aufgehoben – Keine Haftstrafe für "Mülltaucher"

Christian A. wurde verurteilt, weil er weggeworfene Lebensmittel aus dem Supermarkt-Müll fischte. Doch jetzt kippt das Gericht das Urteil.
Hannah  Maier
30.01.2025, 14:37

Es ist Donnerstagmorgen, Saal 206 im Straflandesgericht Wien. Rund 50 Menschen haben sich versammelt, die Stimmung ist angespannt. Ein Mann hält ein Plakat mit der Aufschrift: "Dumpstern ist kein Diebstahl!". Sie alle sind hier, um einen Mann zu unterstützen, der für viele als Held gilt – aber für die Justiz ein Krimineller sein soll.

Wie berichtet, wurde Christian A. vergangenes Jahr zu vier Wochen bedingter Haft verurteilt, weil er weggeworfene Lebensmittel – hauptsächlich Obst und Gemüse – aus dem Müllcontainer eines Supermarktes fischte. Doch der 51-Jährige wollte das Urteil nicht akzeptieren und legte dagegen mit seinem Anwalt Berufung ein.

Richterin droht mit Saal-Räumung

Dass das Thema emotionalisiert, zeigt sich an den vielen Menschen, die zur Berufungsverhandlung gekommen sind – einerseits Bekannte, andererseits Lebensmittelretter. "Das Urteil spricht gegen jeden Menschenverstand", sagt einer von ihnen. Aufgrund des begrenzten Platzes im Verhandlungssaal drohte die Richterin kurzzeitig sogar mit einer Räumung durch die Polizei.

Haftstrafe für Lebensmittelretter

Seit über vier Jahren holt Christian A. Weggeworfenes aus Müll-Containern und verteilt die Lebensmittel dann; ein paar Sachen behält er sich manchmal selbst. Die Mengen, die er in den Containern findet, sind oft enorm. Einmal rettete er 51 Liter Milch. "Die haben wir dann auf drei Kühlschränke aufgeteilt", erzählt er. Ein anderes Mal waren es 20 Kilo Bananen. "Mir geht es vor allem auch um Ressourceneffizienz und Mülltrennung", sagt er.

Eine Aktion im Mai 2024 endete aber weniger erfolgreich. Mit einer Kollegin von der Lebensmittelrettung holte und sortierte der Wiener den Müll eines Supermarktes im 20. Bezirk. Der Müllcontainer befand sich nicht in einem versperrten Bereich, sondern war frei zugänglich. Ein Passant wurde auf die Lebensmittelretter aufmerksam und rief die Polizei. Es folgte eine Anzeige wegen Diebstahls, die Verhandlung vor dem Bezirksgericht Leopoldstadt und schließlich die Verurteilung zur bedingten Haftstrafe.

Diebstahl, oder nicht?

Für den Diebstahl wurde ein Warenwert der Lebensmittel in Höhe von 50 Euro angenommen. Für Christian völlig absurd, wie er im Zuge der Berufungsverhandlung am Donnerstag erneut beteuert: "Der Wert ist aus der Luft gegriffen. Vorgaben zur Mülltrennung werden fast nie eingehalten. Die Lebensmittel aus der Tonne sind so verschmutzt. Sie sind unverkäuflich", sagt er.

Ist Dumpstern tatsächlich Diebstahl oder ziviler Ungehorsam gegen Verschwendung? Für Rechtsanwalt, David Jodlbauer, sei noch nicht geklärt, wie solche Fälle strafrechtlich beurteilt werden und begründet damit die Nichtigkeitsbeschwerde.

Urteil aufgehoben – alle jubeln

Nach der Besprechung durch Richterin und Schöffen ist klar: Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und der Fall muss neuerlich vor dem Bezirksgericht Leopoldstadt verhandelt werden. Der Grund: Das Bezirksgericht habe sich nicht genug mit der Feststellung des Wertes der Lebensmittel auseinandergesetzt.

Der Lebensmittelretter und seine zahlreichen Unterstützer jubeln im Verhandlungssaal. Sehr zum Missfallen der Richterin: "Hören Sie auf zu klatschen. Wir sind hier doch nicht im Theater; das ist keine Feier!" Gewonnen ist zwar nichts, aber für Christian ist die Aufhebung des Urteils ein erster Erfolg. "Ich freue mich natürlich sehr. Lebensmittel zu retten, darf kein Verbrechen sein", sagt er.

{title && {title} } HTM, {title && {title} } Akt. 30.01.2025, 14:43, 30.01.2025, 14:37
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