Bandengewalt

UN beschreibt Situation in Haiti als katastrophal

Das karibische Land Haiti versinkt immer tiefer im Chaos. Ein UN-Bericht beschreibt grenzenlose Gewalt und die schreckliche humanitäre Situation.

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UN beschreibt Situation in Haiti als katastrophal
Haiti war noch nie ein wohlhabendes Land, doch so chaotisch wie jetzt war es noch nie. (7. März 2024)
Odelyn Joseph / AP / picturedesk.com

Die Situation im von Bandengewalt erschütterten Haiti ist nach Angaben der UNO katastrophal. "Korruption, Straflosigkeit und schlechte Regierungsführung, verschärft durch das wachsende Ausmaß der Bandengewalt, haben den Rechtsstaat ausgehöhlt und die Institutionen des Staats (...) an den Rand des Zusammenbruchs gebracht", erklärte das UN-Menschenrechtsbüro am Donnerstag in einem neuen Bericht. Das habe Haiti in eine "katastrophale Situation" geführt. Noch immer gelangten neue Waffen ins Land, beklagen die Vereinten Nationen.

Nach Einschätzung des UN-Menschenrechtsbüros sind allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres mehr als 1500 Menschen durch Bandengewalt getötet worden. Im gesamten vergangenen Jahr gab es demnach mehr als 4450 Todesopfer.

Männer erschossen, ihre Frauen vergewaltigt

In dem Bericht wird massive sexuelle Gewalt beschrieben, darunter die Vergewaltigung von Geiseln und von Frauen, die zuvor die Tötung ihrer Ehemänner mitansehen mussten. Zudem werden demnach schon Kinder, sowohl Jungen als Mädchen, rekrutiert und missbraucht. Diese könnten aus Angst vor Vergeltung nicht aus den Banden austreten, hieß es weiter. "Alle diese Praktiken sind ungeheuerlich und müssen sofort aufhören", forderte UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk.

Der Bericht warnte auch davor, dass gegen die ansteigende Bandengewalt gegründete "Selbstverteidigungsbrigaden" weiter Selbstjustiz ausüben könnten. In diesem Kontext seien im vergangenen Jahr mindestens 528 Fälle von Lynchjustiz gemeldet worden, heißt es. In diesem Jahr waren es demzufolge 59.

Trotz eines internationalen Waffenembargos gebe es zudem einen verlässlichen Nachschub an Waffen und Munition, der über Haitis "durchlässige" Grenzen in das Land gelange, beklagt die UNO. Sie ruft zu stärkeren nationalen und internationalen Kontrollen auf, um den Waffenschmuggel in das Land einzudämmen. "Es ist schockierend, dass trotz der schrecklichen Situation vor Ort immer noch Waffen hineinströmen", erklärte Türk.

Kein Essen und sauberes Wasser

Haiti leidet unter einer massiven Welle von Bandengewalt, die humanitäre Lage in dem Karibikstaat verschlechterte sich in den vergangenen Wochen zusehends. Bereits letzte Woche wurde bekannt, dass sich mehr als 1,6 Millionen Menschen bereits in einer humanitären Notlage befinden – also der Stufe vier von fünf auf der IPC-Skala. Stufe fünf entspricht einer Hungersnot. Rund 45 Prozent der Menschen hätten zudem keinen Zugang zu sauberem Wasser.

Kriminelle Banden kontrollieren inzwischen weite Teile des Landes und der Hauptstadt. Ihnen werden Morde, Vergewaltigungen und Erpressungen vorgeworfen. Regierungschef Ariel Henry war am 11. März zurückgetreten. Seitdem wird über eine Übergangsregierung verhandelt.

Die Ermordung von Präsident Jovenel Moïse im Juli 2021 hatte den ohnehin von Kriminalität, politischer Instabilität und großer Armut geprägten Karibikstaat in eine noch tiefere Krise gestürzt. In Haiti hat es seit 2016 keine Wahlen mehr gegeben.

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