Wien
SIE hat 2 Uni-Titel, spricht 4 Sprachen, findet 0 Job
Yuliya kommt aus der Ukraine. Seit März 2022 lebt die 53-Jährige in Österreich. Sie möchte gerne arbeiten, bekommt aber einfach keine Stelle.
"Wir haben einfach zwei Taschen gepackt und sind damit über die Grenze", erinnert sich Yuliya. Im März 2022 ist sie mit ihrer Tochter (19) nach Österreich gekommen. Die beiden leben in Wien, Yuliya sucht dringend nach Arbeit. Viel Erfolg hat die 53-Jährige dabei nicht.
206.500 Stellen waren im Vorjahr frei
"Ich habe zwei Diplome. Eines als Lehrerin für Englisch und ein Wirtschafts-Diplom", erzählt Yuliya. In ihrer Heimat Odessa hat sie lange in einem Kinderzentrum gearbeitet und dort Kinder im Alter von elf Monaten bis 17 Jahren betreut. Doch die 53-Jährige hat nicht nur Erfahrungen in der Kinderbetreuung. Sie spricht Ukrainisch, Russisch, Englisch und etwas Deutsch. Nach einem dreijährigen Job bei der Lufthansa hat sie auch Erfahrungen in Logistik und HR. Trotzdem findet sie in Österreich keinen Job.
Und das, obwohl in Österreich 2022 durchschnittlich 206.500 Arbeitsplätze nicht besetzt waren. Die Anzahl der unbesetzten Stellen in Österreich liegt damit um 61,1 Prozent über dem Vor-Pandemie-Niveau. Das sei laut der Diakonie der bisher höchste aufgezeichnete Wert.
"Möchte unbedingt in Wien bleiben"
Yuliya versteht trotzdem nicht, warum sie keinen Job bekommt. Sie vermutet ein Hindernis in der Sprachbarriere. "Ich habe mich am Anfang in der Bildungsdirektion beworben. Da hat es geheißen, man bräuchte ukrainische Lehrkräfte. Ich war dann einmal mit 25 anderen Ukrainern dort zum vorstellen. Doch ich hab dann nichts mehr gehört.", klagt die 53-Jährige. Sie hat sich schlussendlich selbst einen Deutschkurs gesucht, bringt sich die Sprache alleine bei.
Maria Katharina Moser, Direktorin der Diakonie erklärt, dass viele Arbeitgeber lieber jemanden mit einem sicheren Aufenthaltsstatus einstellen würden. Denn der Aufenthaltsstatus der Ukrainer sei unsicher, weil man ihn jährlich verlängern müsse. Außerdem müssten Arbeitgeber für Ukrainer in der Grundversorgung eine Arbeitsbewilligung beantragen. En bürokratischer Aufwand, dem viele Arbeitgeber wohl lieber entgehen möchten.
Diakonie fordert eigenes Ukrainer-Gesetz
Yuliya möchte gerne in Wien bleiben. "Ich mag es hier. Meine Tochter ist hier, die meisten meine Freunde aus der Ukraine auch." Um hier zu bleiben bräuchte sie aber eine feste Arbeit, so die 53-Jährige. Dafür schickt sie fleißig Bewerbungen ab. Egal ob als Lehrerin oder in der Wirtschaft. Antworten bekommt sie aber nur in Ausnahmefällen. Und dann sind es normalerweise Absagen. Für die Englischlehrerin deprimierend. "Ich verstehe es nicht. Ich möchte auch mein eigenes Geld verdienen und es nicht nur einfach so bekommen", meint sie.
Die Diakonie fordert nun ein eigenes Ukrainer-Gesetz, ähnlich dem Bosnier-Gesetz. Dieses soll für die Vertriebenen einen sicheren Aufenthaltsstatus und Existenzssicherung garantieren. Denn derzeit darf man zur Grundversorgung von knapp 500 Euro nur 110 Euro dazuverdienen. Das reicht nicht zum Leben, erklärt Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser. Außerdem bräuchte es mehr Deutschkurse, eine Erleichterung der Nostrifizierung und ein Ende der Dequalifizierung ukrainischer Arbeitskräfte.