Wien

Jede vierte Frau am Arbeitsplatz sexuell belästigt

Die Arbeiterkammer vertritt Menschen, die am Arbeitsplatz sexuell belästigt werden. Die gute Nachricht: Immer mehr Betroffene wissen sich zu wehren.

Heute Redaktion
Manche Frauen zögern nach sexuellen Übergriffen am Arbeitsplatz zu handeln: aus finanzieller Abhängigkeit, aus Angst, Unruhe zu stiften oder gekündigt zu werden. Doch die Wiener Arbeiterkammer steht betroffenen Frauen bei und erstreitet ihnen Recht.
Manche Frauen zögern nach sexuellen Übergriffen am Arbeitsplatz zu handeln: aus finanzieller Abhängigkeit, aus Angst, Unruhe zu stiften oder gekündigt zu werden. Doch die Wiener Arbeiterkammer steht betroffenen Frauen bei und erstreitet ihnen Recht.
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Die jüngste Frau, die bei der Wiener Arbeiterkammer (Prinz Eugen Straße 20-22, Wieden) nach wiederholten sexuellen Übergriffen am Arbeitsplatz Beratung suchte, war 16 Jahre alt. Die älteste Frau war sechzig. "Das Thema betrifft Frauen allen Alters, jeden Bildungsstandes, in allen Berufen und Milieus", so die Beobachtung von Ludwig Dvořák, Bereichsleiter Arbeitsrechtliche Beratung bei der AK. Auffällig allerdings sei jedoch besonders das Hotel- und Gastgewerbe mit einem Gesamtabteil von 21 Prozent der gemeldeten Fälle.

Den Großteil an Übergriffen erleben tatsächlich Frauen, circa 91 Prozent, so Bianca Schrittwieser, Abteilungsleiterin Arbeitsrecht bei der AK. Bei den Fällen, die die Arbeiterkammer vor Gericht brachte, ging es in 32 von 33 Fällen um Übergriffe an Frauen. Aber es gibt auch Männer, die davon betroffen sind. "Meist junge Burschen, die als Zivildiener von Klienten und Klientinnen, Patienten und Patientinnen belästigt werden."

Junge Leute in der Ausbildung scheuen sich Belästigung anzusprechen

Was die jungen Burschen und jungen Mädchen bei ihren ersten Schritten in der Arbeitswelt gleichermaßen betrifft, ist ihre Scheu, Grenzverletzungen zu melden. "Sie wollen keine Unruhe stiften, sie sind angewiesen auf das Geld, sie wollen nicht schon wieder ein neues Praktikum beginnen. "Sie schrecken nicht nur davor zurück, "Stopp!" zu sagen, sondern auch davor, den Rechtsweg zu gehen", so die Erfahrung von Bianca Schrittwieser. Die AK kooperiert deshalb mit der Plattform "act4respect", die ein niedrigschwelliges Angebot für junge Menschen in genau solchen Situationen anbietet.

Ob sexuelle Übergriffe am Arbeitsplatz zugenommen haben, lässt sich aufgrund der vielen nicht gemeldeten Fälle schwer sagen. "Was wir hier haben, ist nur die Spitze des Eisbergs" ist sich Bianca Schrittwieser sicher. Was sich aber beobachten lasse, sei, dass sich die Anfragen um eine Beratung immer dann mehren, wenn medial Fälle sexueller Machtausübung publik werden. Das war nach "meToo" so, das war nach den bekannt gewordenen Übergriffen des Medienunternehmers Fellner so – "Die Frauen sehen dann, was ich da erlebe, das ist kein individuelles Problem. Das ist ein Problem von Machtverhältnissen in unserer Gesellschaft", so Bianca Schrittwieser.

Belästigung von Anfang an

"Oft besteht ein Missverhältnis von Beginn an. Zunächst erfolgen zweideutige Bemerkungen, dann erhöht sich die Intensität. Die Bemerkungen werden eindeutiger, körperliche Grenzen werden überschritten", so Ludwig Dvořák. In achtzig Prozent der von ihm und seinem Team betreuten Fälle konnte für betroffene Frauen Recht und Schadensersatz erstritten werden. "Auch wenn die Summen in unseren Augen viel zu gering sind". Ludwig Dvořák fordert statt der bisher 1.000 Euro 5.000 Euro, wenn es am Arbeitsplatz zu Übergriffen kommt und der Arbeitgeber keine Präventionsstruktur geschaffen und also seine Fürsorgepflicht verletzt hat.

Ein Großteil der Arbeitgeber vernachlässige leider massiv seine Fürsorgepflicht, so Bianca Schrittwieser. Und wenn gehandelt wird, dann meist ungut. "In einem Fall meldete eine Frau ihrem Arbeitgeber einen Übergriff. Sie wurde in ein anderes Team versetzt. Musste sich neu einfinden, hatte den Ärger. Der Belästiger aber verblieb in seinem Team und hatte keinerlei Nachteile." Ein Abschieben der Verantwortung auf die betroffenen Frauen sei klar unzulässig, so die Juristin.

Belästigung und Geld hängen zusammen

Geld ist tatsächlich ein ganz entscheidender Faktor. In vielen Fällen werden Frauen gekündigt, wenn sie sich beschweren, oder sie kündigen selbst, weil es für sie extrem belastend ist. "Gewalt und Übergriffe machen krank", so Bianca Schrittwieser. Doch auszusteigen, muss man sich auch erstmal leisten können: "Bei einem berechtigten Austritt aus dem Arbeitsverhältnis entfällt ein Anspruch auf Schadensersatz. Das ist eine Rechtslücke, die unbedingt geschlossen werden muss", so Ludwig Dvořák.

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