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Türkei: Polizisten sollen nach Erdbeben gefoltert haben
Verheerende Erdbeben suchten Anfang Februar die Türkei und Syrien heim. Nun offenbart ein Bericht schockierende Details zu den Schreckens-Tagen.
Am 6. Februar kam es im Südosten der Türkei sowie im Norden Syriens zu schrecklichen Erdbeben. Ein erstes erreichte eine Magnitude von 7,8, ein zweites am selben Tag wiederum 7,5. Des weiteren gab es dutzende weitere Erdbeben – mit verheerenden Konsequenzen. Bis zum 20. März wurden mehr als 56.800 Tote geborgen und mehr als 111.000 Verletzte registriert. Nun gibt es neue, erschütternde Berichte zu den schlimmen Februartagen.
Amnesty International und Human Rights Watch haben einen Bericht veröffentlicht, der türkische Sicherheitskräfte schwer belastet. Nils Muižnieks, Direktor für Europa bei Amnesty International kommentiert den Bericht wie folgt: "Die erschütternden Berichte und Bilder von mutwilliger Gewalt durch Ordnungskräfte, die inmitten der schlimmsten Naturkatastrophe, die das Land je erlebt hat, ihre Macht missbrauchen, lassen sich nicht einfach beiseite wischen".
Folter mutmaßlicher Straftäter
Sicherheitskräfte, allen voran Polizisten und Soldaten, sollen im Zuge des Ausnahmezustandes Folter und andere Misshandlungen begangen haben. Außerdem soll in etlichen Fällen gewalttätiger Übergriffe durch Ordnungskräfte nicht eingegriffen worden sein, so die beiden NGOs. "Die Ordnungskräfte haben Menschen wegen des Verdachts auf Diebstahl und Plünderung verprügelt, gefoltert und anderweitig misshandelt", heißt es in dem Bericht.
Eine Person soll in behördlichem Gewahrsam sogar verstorben sein, nachdem sie gefoltert wurde. Für den Bericht wurden 34 Personen befragt und Videomaterial, das mutmaßliche Gewaltausübung durch Sicherheitskräfte zeigt, ausgewertet. Zu den Befragten zählen unter anderem zwölf Opfer von Folter und anderen Misshandlungen, heißt es.
"Schockierend"
Mit der Ausnahme von drei Fällen sollen alle in der Stadt Anakya in der Provinz Hatay stattgefunden haben. In vier Fällen handelt es sich um syrische Flüchtlinge, Amnesty legt daher rassistische Motive nahe. Zu den Vorfällen kam es ausschließlich in den zehn Provinzen, in denen der Ausnahmezustand verhängt wurde.
"Die glaubwürdigen Berichte über Angehörige von Polizei, Gendarmerie und Militär, die Menschen, die sie einer Straftat verdächtigen, brutal verprügeln und willkürlich und ohne rechtliche Grundlage in Haft nehmen, sind ein schockierender Hinweis auf die Praktiken der Strafverfolgungsbehörden in der türkischen Erdbebenregion", resümiert Hugh Williamson, Direktor für Europa und Zentralasien bei Human Rights Watch.
Türkische Behörden sehen das Ganze etwas anders – nachdem Innen- sowie Justizminister über die Ergebnisse der Recherchen informiert wurden, zeigten sie sich alles andere als einsichtig: In einer Antwort der Abteilung für Menschenrechte des Justizministeriums im Namen des Justizministeriums und des Innenministeriums hieß es, dass es sich bei den Vorwürfen lediglich um "vage Behauptungen handle, die jeglicher sachlichen Grundlage entbehren".