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Wahl-Beben in der Türkei! Erdoğan rutscht unter 50 %

In der Türkei zeichnet sich ein Thriller um das Präsidenten-Amt ab: Herausforderer Kemal Kilicdarogl zwingt Amtsinhaber Erdoğan in eine Stichwahl.

Leo Stempfl
Erdoğan hat die Mehrheit verloren.
Erdoğan hat die Mehrheit verloren.
REUTERS

Schon kurz nach Wahlschluss gab es in der Türkei-Wahl eine erste Überraschung. Eigentlich gab es eine Nachrichtensperre bis 20 Uhr MEZ, doch der Leiter der Wahlkommission hat diese vorzeitig aufgehoben. Seitdem dürfen türkische Medien über die nach und nach eintrudelnden Ergebnisse berichten.

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Wie in Österreich handelt es sich bei diesen Teilergebnissen um Stimmen aus den ländlichen Regionen im Osten, in denen Präsident Recep Tayyip Erdoğan und seine AKP traditionell stärker sind. Im weiteren Verlauf und mit hinzukommen der Stimmen aus den liberaleren Städten gewinnt die Opposition stets hinzu.

Vorsprung schrumpft und schrumpft

Der erste Schwall an Stimmen sah bei einem Auszählungsgrad von lediglich neun Prozent Erdoğan mit 59 Prozent in Führung. Dem nächsten Update zufolge (Auszählungsgrad 21 Prozent) sank dieser Vorsprung bereits auf 55 Prozent, bei 32 Prozent der ausgezählten Stimmen kam der amtierende Präsident gar nur mehr auf 53 Prozent. All diese Zahlen beruhen allerdings auf Daten der regierungsnahen Nachrichtenagenturen und werden von der Opposition scharf in Frage gestellt.

Um 18.53 twitterte Herausforderer Kemal Kılıçdaroğlu schließlich: "Wir sind vorne."

Sollte das Stimmen – die Daten deuten jedenfalls immerhin in diese Richtung – wird eine andere Frage spannend: Schafft Kılıçdaroğlu das Knacken der 50-Prozent-Marke? Falls nicht, kommt es zur Stichwahl. Um 19.15 Uhr scheint dieses Ziel noch ein gutes Stück entfernt. Bei einem Auszählungsgrad von rund 50 Prozent hält Erdoğan bei 52, Kılıçdaroğlu bei 42 Prozent.

Austro-Türken hinter Erdoğan

Faik Öztrak, ein Sprecher von Kılıçdaroğlus sozialdemokratischer Partei CHP, mahnte, diese ersten Ergebnisse seien vorläufig. Das Bild für die Opposition sei "extrem positiv". CHP-Mitglieder bezweifelten die Zahlen der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu und erklärten, diese sei zugunsten Erdoğans voreingenommen.

In Österreich lebende Türken wählten übrigens einem ersten Stimmenschwall zufolge zu fast 77 Prozent Erdoğan. Dieser meldete sich um kurz nach 21 Uhr via Twitter zu Wort. Dort sprach er von den Wahlen als Fest der Demokratie, kritisierte aber die voreilige Bekanntgabe von Ergebnissen. Keine zehn Minuten später schrumpfte sein Stimmenanteil auf 50,3 Prozent.

Seit 22 Uhr ist Erdoğan selbst laut den Zahlen des türkischen Rundfunks TRT auf unter 50 Prozent gerutscht. Auszählungsgrad: 92 Prozent.

Das Resultat ist nicht definitiv: Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu sind mehr als 84 Prozent der Wahlurnen geöffnet und rund 45 Millionen Stimmen ausgezählt worden. Doch die Zahl der türkischen Staatsbürger, die wahlberechtigt sind, beträgt mehr als 64 Millionen. Das heißt, dass mehr als 18 Millionen Stimmen noch ausgezählt werden müssen - das ist etwa ein Drittel der Gesamtzahl der Stimmen. Und diese Stimmen kommen vor allem aus den Großstädten. Bekommt keiner der Kandidaten mehr als 50 Prozent der Stimmen, geht es für die beiden führenden Bewerber am 28. Mai in eine Stichwahl.

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