Flucht nach Europa

Trotz verschärfter Gesetze – darum migrieren Millionen

Das politische Klima in Europa Migrantinnen und Migranten gegenüber ist rauer geworden. Trotzdem fliehen Jahr für Jahr mehr Menschen hierhin.

20 Minuten
Trotz verschärfter Gesetze – darum migrieren Millionen
Viele Staaten begegnen der Migration mit Repression. (Symbolbild)
Getty Images

Abschiebehaftanstalten in Italien, Stacheldraht in Polen, schärfere Kontrollen in Deutschland, drohende Abschiebungen nach Ruanda aus Großbritannien: Das Klima in Europa für Migranten wird rauer. Dazu trägt auch der Rechtsruck bei den Europawahlen und der vor kurzem beschlossene EU-Asylpakt bei.

Trotzdem reißt der Strom an Geflüchteten nicht ab. Letztes Jahr waren es über eine Million Menschen, die in der EU einen Antrag auf Asyl gestellt haben – die höchste Quote seit 2016. Warum?

Die Situation in den Herkunftsländern treibt Menschen in die Flucht

"Weil die Push-Faktoren viel höher wiegen als die Pull-Faktoren", sagt Sarah Progin, Professorin für Migrationsrecht an der Universität Freiburg. Soll heißen: Die Situation in den Herkunftsländern treibt die Menschen hauptsächlich zur Flucht, nicht scheinbare wirtschaftliche Anreize in Europa. Durch strengere Regeln würden Migrantinnen und Migranten verstärkt in die Illegalität gezwungen, kommen würden sie aber weiterhin.

Das zeigt sich im gesamteuropäischen Bild. Auf Länderebene gibt es allerdings Gegenbeispiele: In Ungarn, Polen oder Dänemark etwa zeigten restriktive Asylpolitiken Wirkung, deutlich weniger Migrantinnen und Migranten versuchen seither, dorthin zu kommen.

In den Ländern, in denen die Menschen, die heute fliehen, geboren wurden, herrschen Krieg, Repression und Hunger. Die meisten Asylanträge werden von syrischen Bürgerinnen und Bürgern gestellt. Seit 2011 herrscht dort Bürgerkrieg, dazu kamen die zwei großen Erdbeben in der Südosttürkei und Nordsyrien letztes Jahr. In den stark betroffenen türkischen Gebieten lebten bereits viele syrische Flüchtlinge, die dadurch erneut vertrieben wurden.

40 Prozent Männer zwischen 18 und 34 Jahren

Dahinter folgen Afghaninnen und Afghanen, die vor den Taliban fliehen, und Menschen aus der Türkei. Die repressive Politik von Präsident Recep Tayyip Erdoğan zwingt vor allem Kurdinnen und Kurden zur Flucht. Auch aus Venezuela kommen Menschen nach Europa. Seit Präsident Nicolás Maduro 2013 an die Macht kam, sind die Wirtschaft und das Gesundheitssystem zusammengebrochen. Armut, Hunger und Krankheiten breiten sich aus.

Frauen und Kinder bleiben oft im Herkunftsland und hoffen dann auf Familiennachzug.
Sarah Progin-Theuerkauf

Im Jahr 2023 waren über 40 Prozent der Personen, die Asyl beantragten, Männer zwischen 18 und 34 Jahren. "Weil die Flucht so gefährlich ist, bleiben Frauen und Kinder öfter im Herkunftsland und hoffen dann auf Familiennachzug", sagt Progin. Dennoch kamen auch über 40’000 unbegleitete Minderjährige nach Europa, was knapp vier Prozent der gesamten Asylanträge entspricht.

Die Hälfte der Geflüchteten müsste Europa wieder verlassen

Was auch zur hohen Migration beitragen dürfte: Die Abschreckung, auf die einige Länder Europas verstärkt setzen, funktioniert nicht oder nur teils. Die Hälfte der Asylanträge wird abgelehnt und die Menschen werden aufgefordert, die EU zu verlassen. Tatsächlich rückgeführt werden davon knapp ein Drittel.

"Praktische Probleme sind die Beschaffung von Papieren, die Zusammenarbeit mit einzelnen Herkunftsstaaten, manchmal auch der Nachweis einer bestimmten Staatsangehörigkeit", sagt Progin. Oft würden auch medizinische Gründe geltend gemacht, die dann in letzter Minute eine Rückführung verhinderten. "Nicht zuletzt akzeptieren einzelne Staaten wie Eritrea keine Zwangsausschaffungen durch Sonderflüge." Und das Non-Refoulement-Prinzip verbietet die Abschiebung einer Person, wenn im Zielland Folter, unmenschliche Behandlung, Bestrafung oder sonstige schwere Menschenrechtsverletzungen drohen.

Der anderen Hälfte der Geflüchteten wird laut Daten der EU-Asylagentur (EUAA) in Europa Schutz gewährt. Darin enthalten sind die Anerkennung als geflüchtete Person mit oder ohne Asyl, subsidiärer Schutz oder ein humanitärer Schutzstatus.

Wie dann in Europa mit den Asylsuchenden umgegangen wird, ist von Land zu Land unterschiedlich. Die einen bemühen sich um Integration, die anderen würden am liebsten keine einzige Person aufnehmen und versuchen das mit restriktiver Politik durchzusetzen.

Die Bilder des Tages

1/50
Gehe zur Galerie
    <strong>21.11.2024: Für 4,90 Euro völlig ungenießbares Schulessen serviert</strong>. Die Debatte um Mittagessen und Jause in heimischen Schulen und Kindergärten kocht hoch. <a data-li-document-ref="120073491" href="https://www.heute.at/s/fuer-490-euro-voellig-ungeniessbares-schulessen-serviert-120073491">"Es schmeckt nicht", ärgert sich nicht nur Wienerin Daniela D.</a>
    21.11.2024: Für 4,90 Euro völlig ungenießbares Schulessen serviert. Die Debatte um Mittagessen und Jause in heimischen Schulen und Kindergärten kocht hoch. "Es schmeckt nicht", ärgert sich nicht nur Wienerin Daniela D.
    privat, iStock

    Auf den Punkt gebracht

    • In Europa verschärfen viele Länder ihre Migrationspolitik, doch die Zahl der Asylanträge bleibt hoch
    • 2022 wurden über eine Million Anträge gestellt, die höchste Quote seit 2016
    • Krieg, Repression und Hunger treiben Menschen weiterhin zur Flucht
    • Um aus Europa nach Großbritannien zu kommen, riskieren Tausende ihr Leben bei der Überfahrt auf kleinen Schlepperbooten
    • Und das, obwohl viele gar nicht bleiben dürften: Die Hälfte der Asylanträge wird abgelehnt, Großbritannien will Geflüchtete nach Ruanda abschieben
    • Viele bleiben trotzdem, weil es Schwierigkeiten bei der Rückführung gibt
    • Nur ein Drittel der Abgelehnten verlässt die EU wieder
    20 Minuten
    Akt.
    An der Unterhaltung teilnehmen