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Trägt der Geheimdienst Mitschuld am Hamas-Massaker?
Der israelische Geheimdienst sei vor einem bevorstehenden Angriff der Hamas gewarnt worden, hätte "die Warnung aber unterschätzt", lautet der Vorwurf.
Ein mystischer Nimbus umgab einst die Nachrichtendienste Israels. Sie galten als überaus präzise und effektiv, ja gar unbesiegbar. Dieses Bild beginnt mit der jüngsten Attacke der Hamas, bei der Hunderte Terroristen die Grenze überschritten und israelische Zivilistinnen und Zivilisten massakrierten, zu bröckeln.
"Dies ist ein großer Fehlschlag. Diese Operation beweist eigentlich, dass die geheimdienstlichen Fähigkeiten in Gaza nicht gut waren", sagt Yaakov Amidror, ein ehemaliger nationaler Sicherheitsberater von Premierminister Benjamin Netanjahu, gegenüber AP.
"Warnung unterschätzt"
Ein ägyptischer Geheimdienstmitarbeiter behauptet nun gar, die israelischen Geheimdienste seien vor einem möglichen Angriff gewarnt worden. "Wir haben sie gewarnt, dass eine Explosion der Situation bevorsteht, und das sehr bald und in großem Ausmaß", so der anonyme Geheimdienstler.
Doch die israelischen Beamten hätten "die Warnung unterschätzt" und spielten die Bedrohung durch den Gazastreifen herunter. Stattdessen hätten sie sich auf das Westjordanland konzentriert, das angesichts zunehmender Gewalt in den letzten 18 Monaten ein hartes Durchgreifen erforderte.
Netanjahus Justizumgestaltung spaltet das Land
Die Schuld allein auf die Nachrichtendienste zu schieben wäre jedoch unvollständig. Zum einen hat Israel mit Gewaltausschreitungen im Westjordanland zu kämpfen, zum anderen herrscht auch innerhalb der Grenzen Unruhe, da Netanjahus rechtsextreme Partei das Justizwesen umgestalten möchte.
Der umstrittene Plan habe den Zusammenhalt des israelischen Militärs gefährdet. Martin Indyk, der während der Obama-Regierung als Sonderbeauftragter für die israelisch-palästinensischen Verhandlungen diente, sagte, die internen Meinungsverschiedenheiten über die Gesetzesänderungen seien ein erschwerender Faktor, der dazu beigetragen habe, dass die Israelis überrumpelt wurden.
"Sie sind in die Steinzeit zurückgefallen"
Hinzu kommt, dass die Geheimdienste Israels den Gazastreifen nicht mehr gleich gut ausspionieren können wie in der Vergangenheit. Seit Israel seine Truppen aus dem Gazastreifen abgezogen hat, sei man auf technische Mittel angewiesen. Trotz technologischem Vorsprung klaffen gröbere Lücken in der Aufklärungsarbeit. Die Hamas habe Wege gefunden, sich der technologischen Aufklärungsarbeit zu entziehen.
"Sie sind in die Steinzeit zurückgefallen", sagt der pensionierte israelische General Amir Avivi. "Die andere Seite hat gelernt, mit unserer technologischen Dominanz umzugehen, und sie hat aufgehört, Technologien zu benutzen, die sie entlarven könnten", so Avivi weiter.
Die Terroristen würden weder Telefone noch Computer nutzen und wichtige Treffen und Gespräche werden in abhörsicheren Räumen gehalten. So erhalten die Nachrichtendienste nur ein unvollständiges Bild ihrer Absichten. Doch das Sammeln von Informationen sei laut Avivi nicht das einzige Problem gewesen. Man hätte es versäumt, ein genaues Bild der Lage zu zeichnen. Ausserdem sei man ja von einem bevorstehenden Angriff der Hamas gewarnt worden.