Wildtiere
Das Flugtraining für ausgerottete Vögel ist spektakulär
Ein gelber Fallschirm am Himmel, gefolgt von 35 lustigen Vögeln kann nur eines bedeuten: Waldrappe bauen Kondition für die Zugroute 'gen Süden auf.
In Baden-Württemberg geht es hoch her: Regelmäßig ist ein gelber Fallschirm am Himmel zu sehen, gefolgt von lauten Rufen und 35 skurrilen Vögeln. Hier werden derzeit Waldrappe durch Flugtrainings auf ihre Reise in den Süden vorbereitet. Die schrägen Zugvögel sind Teil eines EU LIFE-Projekts, das vom Tiergarten Schönbrunn unterstützt und seit 2022 koordiniert wird. Dabei werden in Zoos geschlüpfte Waldrapp-Küken auf zwei menschliche Ziehmütter geprägt und mittels Ultraleichtflugzeugen in ihr Überwinterungsgebiet geführt. So sollen die Waldrappe ihre Zugroute lernen und in Zukunft selbstständig zwischen ihrem Überwinterungsgebiet und ihrem Sommerquartier migrieren. Ein aufwändiges Unterfangen, das überaus wichtig ist: Denn im 17. Jahrhundert wurde der Waldrapp in Europa ausgerottet.
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Ab nach Andalusien
Für die diesjährige Kolonie geht es, anders als für ihre Vorgänger, nicht in die Toskana, sondern nach Andalusien. Die Tiere müssen dafür fast die dreifache Strecke zurücklegen. Grund dafür ist der Klimawandel. „Durch die wärmeren Temperaturen im Herbst treten die Vögel ihre Reise in den Süden immer später an. An den Alpenpässen finden sie dann keine geeignete Thermik mehr vor. Da Waldrappe auf Aufwinde angewiesen sind, um die Alpen zu überqueren, schaffen es viele Vögel nicht mehr über die Pässe. Eine Reise nach Andalusien würde dieses Problem umgehen“, so Johannes Fritz, Leiter des Waldrapp-Projekts. In Andalusien können die Jungvögel in eine dort ansässige, sesshafte Waldrapp-Kolonie integriert werden. Zur Brut sollten sie wieder in das nördliche Alpenvorland zurückkehren, so die Hoffnung der Forscher. Die Inspiration für die Destination lieferte ein im Tiergarten Schönbrunn aufgezogenes Waldrapp-Männchen, das auf dem Weg nach Italien über 2000 Kilometer weiter in Spanien landete. Bis Ende 2024 soll in einer Machbarkeitsstudie die Eignung dieses Gebiets weiter eruiert werden.
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3 .. 2 .. 1 ... Ab in den Süden
Der Countdown läuft: In rund zwei Wochen soll die große Reise losgehen. Bis dahin wird noch eifrig trainiert, damit die Jungvögel ihren Ziehmüttern auf der weiten Reise zuverlässig folgen. Die Basis dafür ist eine enge Bindung zwischen den Pflegemüttern und ihren Schützlingen. „Seit ihren ersten Lebenswochen füttern wir die Tiere und prägen sie auf uns. Bei den Flügen sitzen wir abwechselnd als Co-Pilotinnen im Fluggerät und animieren die Waldrappe mit Rufen dazu, uns zu folgen“, so Waldrapp-Ziehmutter Helena Wehner. Bis auf die beiden Ziehmütter dürfen keine weiteren Personen Kontakt zu den Vögeln haben, damit sie keine generelle Affinität zu Menschen entwickeln. Schließlich sollen die Tiere später wild leben und für gefiederten Nachwuchs sorgen. Seit 2004 wurden 277 Waldrappe durch menschengeführte Migrationen ausgewildert