Welt
Theresa May tanzt vor Rede zu "Dancing Queen"
Die Kritik an ihrem Brexit-Kurs scheint sie kaltzulassen: Grossbritanniens Ministerpräsidentin Theresa May tanzt am Parteitag der Konservativen zu Abba.
Oooops, she did it again: Erst tanzte sie auf ihrer Afrikareise mit Schülern und erhielt wegen ihrer roboterhaften Bewegungen den Übernamen "Maybot". Jetzt trat sie in Birmingham am Parteitag der Konservativen auf und machte ihrem Spitznamen selbstironisch alle Ehre, diesmal zu den Klängen des Abba-Hits "Dancing Queen". "You cannot dance, having the time of your life" ist man versucht mitzusingen.
Jedenfalls tänzelte May so locker es halt ging auf die Bühne, bevor sie eine optimistische Abschlussrede zum Brexit und der Zukunft Großbritanniens hielt. Dem Land stehe nach dem EU-Austritt eine rosige Zukunft bevor. "Die besten Tage liegen vor uns, und die Zukunft ist voller Versprechen."
Kein Desaster wie im letzten Jahr
Nach der desaströsen Rede vom vergangenen Jahr gelang May dieses Mal eine Ansprache ohne Pannen. Wir erinnern uns: Letzten Oktober war May von einem Komiker unterbrochen worden, der ihr – angeblich im Auftrag des Außenministers Boris Johnson – ein Entlassungsschreiben aushändigte. Danach versagte mehrmals ihre Stimme und sie hustete unentwegt. Schließlich fielen auch noch Buchstaben aus dem Parteitagsmotto an der Wand hinter ihr. Zuletzt kämpfte sie mit den Tränen.
Dieses Mal aber gab sich May selbstbewusst und wies ihre Widersacher in die Schranken. Die Premierministerin steht wegen ihrer umstrittenen Brexit-Pläne inner- und außerhalb ihrer Partei massiv unter Druck. Nur einen Tag zuvor hatte der wortgewaltige Ex-Außenminister Johnson ihre Pläne für den EU-Austritt als "Betrug" an den Brexit-Wählern gegeißelt. Er forderte sie zum klaren Bruch mit Brüssel auf. May ließ sich davon aber nicht den Schneid abkaufen.
May teilt Kritik aus
May warf Brüssel Mangel an Respekt bei den Brexit-Verhandlungen vor. "Ich habe die EU mit nichts anderem als Respekt behandelt – und Großbritannien erwartet das Gleiche", sagte sie. Das Vereinigte Königreich will sich im März 2019 von der EU trennen. Die Verhandlungen zwischen London und Brüssel sind in einer Sackgasse.
Denn Mays sogenannten Chequers-Plan lehnt die EU ab. Die britische Regierungschefin hatte darin angekündigt, sie wolle eine Freihandelszone mit der EU für Waren, aber nicht für Dienstleistungen wie Bankgeschäfte. Dafür will sich Großbritannien eng an Produktstandards und andere Regeln des EU-Binnenmarkts halten.
Zollkontrollen am Ärmelkanal sowie zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland sollen durch ein kompliziertes System von gegenseitigen Absprachen verhindert werden.
May teilte während ihrer Rede außerdem heftig in Richtung Labour-Opposition aus: Millionen Nicht-Tory-Wähler seien "erschüttert, was Jeremy Corbyn seiner Partei angetan hat". Mit Blick auf ihre eigene Partei sagte May: "Wir müssen eine Partei für das ganze Land sein."
Kein Privileg für EU-Migranten
Am Vortag hatte die Regierung zudem die neuen Pläne für Einwanderer vorgestellt, deren Zahl deutlich gesenkt werden soll: EU-Migranten werden es demnach in Zukunft deutlich schwerer haben in Großbritannien. Künftig werden sie im Vergleich zu Einwanderern aus anderen Teilen der Welt nicht mehr bevorzugt behandelt.
Vor allem Arbeitssuchende mit niedriger Qualifikation dürften es schwerer haben. Wer in Großbritannien leben und arbeiten möchte, muss ein Mindestgehalt vorweisen. Familiennachzug soll nur mithilfe des Arbeitgebers möglich sein.
Touristen müssen sich vor Reisen einer Sicherheitsprüfung unterziehen. Bereits in Großbritannien lebende EU-Bürger sollen nicht von den neuen Regeln betroffen sein.
May auf wackligem Stuhl
Johnson stellte in Birmingham Mays Führungsrolle als Premierministerin nicht ausdrücklich infrage. Spekulationen des "Daily Telegraph" zufolge steht Mays Zukunft aber weiter auf dem Spiel.
Innerhalb ihres Kabinetts gehe es nicht mehr um die Frage, ob sie Regierungschefin bleibe, sondern wann sie gehe. Möglicherweise könnte dies schon direkt nach dem EU-Austritt Ende März der Fall sein. Ein Abgeordneter aus Mays Fraktion entzog ihr bereits am Mittwoch öffentlich das Vertrauen.
(red)