Ansage des Experten
"Terror am Vormarsch – das gilt auch für Österreich"
Vor einem Monat hat Österreich erhöhte Terrorwarnstufe wegen einer "konkreten Gefährdungslage" ausgerufen. DSN-Leiter Omar Haijawi-Pirchner warnt.
"Konkrete Gefährdungslage und erhöhte Anschlagsgefahr" waren die Gründe, warum in Österreich die Terrorwarnstufe am 18. Oktober 2023 erhöht wurde. Die Situation analysierte nun am späten Freitagabend der Leiter der Direktion Staatsschutz Nachrichtendienst (DSN), Omar Haijawi-Pirchner, in der ORF-"ZIB2" bei Moderatorin Margit Laufer. "Die Gefahr im islamistischen Extremismus und im Rechtsextremismus" sei hoch, man habe Terroranschläge in Frankreich, Großbritannien und Brüssel gesehen, so der DSN-Leiter. In Österreich gebe es "eine mittlere zweistellige Zahl" an Gefährdern, die gewillt seien, Anschläge zu planen und umzusetzen.
Auch würden Terror-Organisationen verstärkt zu Anschlägen aufrufen, so Haijawi-Pirchner. "Wir sehen jetzt derzeit insbesondere in Österreich keine direkte Auswirkung" der Hamas-Propaganda, so der Experte, aber der Konflikt führe dazu, dass sich Bürger radikalisieren würden, "von denen geht dann auch eine konkrete Gefahr auch in Österreich aus". Aber: Derzeit habe man "keine konkreten Hinweise auf einen Terror-Anschlag in Österreich", sehr wohl aber gebe es eine "hohe abstrakte Gefährdung, die nehmen wir sehr ernst". Terror sei "am Vormarsch, das gilt auch für Österreich", so der Leiter der Direktion Staatsschutz Nachrichtendienst.
Wir sehen, dass Antisemitismus derzeit überhaupt ein großes Problem ist", so Haijawi-Pirchner, egal ob er von rechts oder links komme, er sei "falsch". Antisemitismus sei jedoch am Vormarsch, man sehe das auch im Linksextremismus, aber bei weitem nicht so sehr, wie es im Rechtsextremismus der Fall sei. Aufgrund der Lage im Gazastreifen und in Israel sehe man auch, dass islamistischer Antisemitismus stärker werde. Deshalb wolle man auch in Schulen auf die Gefahren verstärkt hinweisen, so der Experte. "Jede Person, wo diese Radikalisierung nicht passiert, ist ein Gewinn für die Gesellschaft", so Haijawi-Pirchner.
Polizei und Bundesheer mit Schutzaufgaben
Die Entwicklungen in Nahost und wohl auch der Terrorakt in Brüssel sorgten auch in Österreich für eine erhöhte Terrorwarnstufe. Diese wurde vor einem Monat vom Innenministerium auf die zweithöchste Stufe angehoben. Das heißt, offiziell geht man nun von einer "konkreten Gefährdungslage und erhöhter Anschlagsgefahr" in Österreich aus. Seit März 2022 galt hierzulande die Warnstufe "erhöht", davor wurde sie nach dem Anschlag vom 2. November 2020 hochgesetzt.
Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) äußerte sich damals in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP), dem Staatsschutz-Chef Omar Haijawi-Pirchner und dem Wiener Militärkommandanten Kurt Wagner. Im Zuge des Termins wurde mitgeteilt, dass die Polizei künftig verstärkt auf Kräfte des Bundesheeres zurückgreifen wird, wenn es darum geht, Schutzaufgaben zu erfüllen. Konkret sollen bis zu 190 Soldaten für Raum- und Objektschutzmaßnahmen – konkret geht es überwiegend um jüdische Einrichtungen – eingesetzt werden sollen.
"In Europa ein erhöhtes Gefährdungspotenzial"
Karner erklärte bei der Pressekonferenz, dass schon unmittelbar nach dem "abscheulichen Anschlags" der Hamas verstärkte Vorkehrungen getroffen habe. Es gehe um besonnene Entscheidungen, so der Minister. Diese sei nun auf Grundlage von Einschätzungen der Nachrichtendienste geschehen. Staatsschutz-Chef Omar Haijawi-Pirchner sah damals aktuell in "ganz Europa ein erhöhtes Gefährdungspotenzial". In die Einschätzung seien sowohl eigene als auch externe Informationen geflossen, hieß es.
"Für Österreich gibt es derzeit keine konkrete Anschlagsplanung, das ist mir wichtig zu betonen", so Haijawi-Pirchner damals. Jedoch könnten jüngste Ereignisse, wie die Explosion in einem Spital in Gaza dazu führen, dass verbreitete Propaganda zu weiterer Radikalisierung von bereits in Österreich aufhältigen Gefährdern beitrage. "Die Erhöhung der Terrorwarnstufe bedeutet, dass die von der DSN vorgenommene Entwicklung ein hohes bis sehr hohes Risiko für den Bereich des islamistischen Terrorismus darstellt" so der Nachrichtendienst-Chef. Das Gefährdungsmoment sei als "latent" zu bezeichnen.