Trotz EU-Sanktionen

Tausende Austro-Waffen an der Front im Ukraine-Krieg

Tausende Waffen aus Österreich sollen nach Kriegsbeginn in die Hände der russischen Armee gelangt sein. Jetzt spricht der Chef von Steyr Arms.

Newsdesk Heute
Tausende Austro-Waffen an der Front im Ukraine-Krieg
Russische Scharfschützen bei der Militärparade in Moskau. Im Einsatz: das SSG 08 von Steyr Arms.
Sergei Bobylev / Tass / picturedesk.com

Österreich darf als neutrales Land keine Waffen an Kriegsparteien liefern, dennoch schießen Wladimir Putins Invasionstruppen mit tausenden Pistolen und Gewehren aus heimischer Produktion auf Ukrainer. Das meldet die ZIB am heutigen Donnerstag unter Berufung auf eine Recherche des russischen Exilmediums "The Insider". "Heute" berichtete bereits vor einer Woche erstmals darüber.

Dem ORF gegenüber gaben die beiden Waffenhersteller Steyr Arms (OÖ) und Glock (Kärnten) Unwissenheit darüber vor, wie denn ihre Produkte trotz EU-Sanktionen in den russischen Kriegseinsatz gelangen konnten.

"Ob und wie es dazu gekommen ist, ist Glock nicht bekannt. Glock hat keine Waffen nach Russland geliefert", heißt es knapp in einer Stellungnahme des Unternehmens.

Steyr-Boss: "Mir fehlt kriminelle Energie"

Der Chef von Steyr Arms und Arex zeigte sich ein gesprächsbereiter, schließt aber gegenüber dem ORF eine Involvierung aus. "Nicht die Firma Steyr in Kleinraming hat Waffen nach Russland geschickt. Jemand hat Waffen nach Russland von Steyr importiert", sagte Tim Castagne vor laufender Kamera.

Wie seine Scharfschützen-Gewehre, etwa das Modell SSG 08, nun in russischen Händen landen konnten, könne er nicht rekonstruieren: "Mir selbst fehlt ein bisschen die kriminelle Energie, um zu wissen, was da passiert sein kann."

Nach Kriegsbeginn erhalten

Die betreffenden Waffen stammten aus Lieferungen aus dem Jahr 2014 und 2019 heißt es. Damals war der Export noch legal, allerdings verliert sich danach die Spur. Seit Kriegsbeginn im Februar 2022 habe man jedenfalls nicht mehr nach Russland verkauft, sagt Steyr.

Russische Scharfschützen bei der Militärparade in Moskau. Im Einsatz: das SSG 08 von Steyr Arms.
Russische Scharfschützen bei der Militärparade in Moskau. Im Einsatz: das SSG 08 von Steyr Arms.
IMAGO/ITAR-TASS

"The Insider" erfuhr jedoch, dass auch noch genug Waffen erst während der angeblichen "militärischen Spezialoperation" in den Händen von Putins Armee gelandet sind. Darunter mindestens 169 Gewehre und Pistolen von Steyr.

Deutlich größer ist das Glock angelastete Kontingent: Seit Februar 2022 seien demnach 3.606 Pistolen von Glock nach Russland importiert worden. Die meisten von Glock Österreich, 403 daraus von der US-Tochter. Wie viele davon vor dem Beginn des EU-Exportverbotes im Oktober geliefert wurden, ist – genau wie die Identität der Käufer – unklar.

VIDEO: Österreichische Waffen an der russischen Front

Das für die Sanktionskontrollen zuständige Wirtschaftsministerium von Martin Kocher (VP) sieht die Möglichkeit, dass österreichische Waffen aus Drittstaaten nach Russland verkauft wurden. Sollte sich der Verdacht, dass EU-Sanktionen umgangen wurde, erhärten, werde der Staatsschutz DSN Ermittlungen einleiten. Die Staatsschützer seien alarmiert, betonten Innen- und Wirtschaftsministerium.

Neutralität?

Die Enthüllungen rund um die Waffenlieferungen stellen Österreichs Neutralität (militärisch neutral, politisch nicht) in kein gutes Licht. Europarechtler Walter Obwexer sagte zur "Presse", dass solche Lieferungen "problematisch" seien, wenn man den völkerrechtlichen Neutralitätsbegriff als Maßstab anlegt.

Scharfe Kritik gibt es aus dem Baltikum: "Ich bin fest davon überzeugt, dass die Industrie genau weiß, wo diese Waffen landen. Für mich ist das ein Zeichen, dass sich die österreichische Industrie an diesem Krieg bereichern will", so der estnische Europaabgeordnete Riho Terras (EVP) zur Zeitung.

Was unsere Neutralität wirklich ist

Die Neutralität Österreichs ist in einem Bundesverfassungsgesetz klar geregelt. Es besagt, dass Österreich seine Neutralität verteidigen und weder Militärbündnissen beitreten, noch Militärbasen fremder Staaten auf eigenem Territorium zulassen wird – nicht mehr, nicht weniger.
Wörtlich heißt es:
(1) Zum Zwecke der dauernden Behauptung seiner Unabhängigkeit nach außen und zum Zwecke der Unverletzlichkeit seines Gebietes erklärt Österreich aus freien Stücken seine immerwährende Neutralität. Österreich wird diese mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln aufrechterhalten und verteidigen.

(2) Österreich wird zur Sicherung dieser Zwecke in aller Zukunft keinen militärischen Bündnissen beitreten und die Errichtung militärischer Stützpunkte fremder Staaten auf seinem Gebiete nicht zulassen.
Quelle: RIS – Gesamte Rechtsvorschrift für Neutralitätsgesetz

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