"Heute"-Report bei Demo

Syrer tanzen vor Glück – doch es droht neue Katastrophe

Weltweit und in Wien wird der Sturz von Assad von Syrern gefeiert. Am Ring tanzen Tausende mit "Free Syria"-Flaggen vor Freude. Doch was passiert nun?

Christian Tomsits
Syrer tanzen vor Glück – doch es droht neue Katastrophe
Chefreporter Tomsits war bei der syrischen Spontan-Demo in Wien. Die riesige Euphorie und Erleichterung der vielen Syrer war vor Ort spürbar – aber ist sie berechtigt?
"Heute"

"Assad ist weg – die Heimat vermisst uns", jubeln Tausende Syrer am Wiener Ring. Einzelne "Allahu Akbar"-Rufe sind hörbar, Böller explodieren, mit Kindern auf den Schultern werden traditionelle Volkstänze getanzt, Freudentränen fließen. Nahezu alle der Demonstranten in Wien, mit denen "Heute" sprechen konnte – oft schon seit vielen Jahren im Land – wollen nun so schnell wie möglich in ihre Heimat zurück. Das hatte auch Wiens FP-Chef Dominik Nepp bereits per Posting gefordert – mehr dazu hier.

Video: Exil-Syrer jubeln vor dem Parlament in Wien

Die rasanten Entwicklungen in Syrien, bei denen Kämpfer der radikal-islamischen Haiat Tahrir al Scham-Gruppierung um Abu Mohammed al-Golani von der nordwestsyrischen Provinz Idlib nahezu ohne Gegenwehr bis zur Hauptstadt Damaskus vorgedrungen waren und Assad in die Flucht schlugen, wird von den vielen Geflüchteten ausgelassen gefeiert.

Und das, obwohl niemand bisher weiß, wo Präsident Bashar Al-Assad ist und ob er überhaupt noch lebt. Fest steht: In Syrien beginnen diese Tage geschichtsträchtige Veränderungen, eine friedliche Machtübergabe soll möglich gemacht werden. Ob diese jedoch langfristig zu mehr Frieden und Wohlstand führt, ist indes völlig offen. Medienberichten ist zu entnehmen, dass bereits die Zentralbank geplündert wurde…

Säcke voll Geld: Kämpfer tragen Schätze aus der syrischen Zentralbank in Damaskus
Säcke voll Geld: Kämpfer tragen Schätze aus der syrischen Zentralbank in Damaskus
SAM HARIRI / AFP / picturedesk.com

Warnung vor neuem Krieg

Auch Terrorismusforscher Peter R. Neumann warnt auf X vor zu großer Euphorie: "Die Haiat Tahrir al Scham (HTS) mag moderater erscheinen als der IS – doch die Gefahr, die ihr Vormarsch für Syrien und die Welt darstellt, ist enorm", sagt er und entwirft für die Zukunft Syriens drei Szenarien: Die Spaltung des Landes in mehrere autonome Provinzen, ein Wiederaufflammen des Bürgerkriegs mit offenem Ende oder mit anschließender Spaltung des Landes. Alle drei Szenarien hätten wohl eher neue Flüchtlingsbewegungen zu Folge, als eine massenhafte Rückkehr der Asylberechtigten aus Europa.

"Die demokratischen Kräfte im Land und die Opposition, die nun aus dem türkischen Exil zurückkommt, sind stärker", meinen zwei Männer, die am Rande der Demonstration vor dem Parlament die Jubel-Szenen im Stillen genießen. Sie seien damals bei den friedlichen Studentenprotesten im Jahr 2011 gegen Assad an vorderster Front dabeigewesen, konnten sich rechtzeitig nach Wien absetzen.

"Jetzt ist die Stunde null"

Sie sagen: "Jetzt ist die Stunde null. Die Waffen ruhen. Alles, was jetzt kommt, ist Politik" und fürchten keinen Ausbruch eines neuen Bürgerkriegs. "Golani wird sich der Mehrheit beugen müssen. Es wird in Syrien demokratische Wahlen geben. Die Mehrheit will dort Demokratie und Frieden", hoffen sie. Vor Islamisten fürchten sich die beiden Exil-Syrer nicht. "Schlimmer, als es schon war, kann es gar nicht kommen", sagen sie angesichts des jahrelangen Kriegshorrors.

Afghanistan ist abschreckendes Beispiel

Doch Afghanistan, das übrigens von Golani als Vorbild herangezogen wurde, ist mit seinem radikalen Taliban-Regime ein abschreckendes Beispiel: Der Westen muss nun alles tun, um in Syrien die moderaten Kräfte zu stärken, sonst droht die nächste Katastrophe und eine weitere radikal-gefährliche Islam-Hochburg vor den Toren Israels – und spätestens seit dem 7. Oktober 2023 weiß die ganze Welt, was das bedeutet.

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    <strong>21.12.2014: Magdeburg-Terrorist war bekannter Anti-Islam-Aktivist.</strong> Der mutmaßliche Täter des Anschlags von Magdeburg erhob schwere Vorwürfe gegen Deutschland und unterstützte Frauen, <a data-li-document-ref="120079782" href="https://www.heute.at/s/magdeburg-terrorist-war-bekannter-anti-islam-aktivist-120079782">die aus Saudi-Arabien flüchteten.</a>
    21.12.2014: Magdeburg-Terrorist war bekannter Anti-Islam-Aktivist. Der mutmaßliche Täter des Anschlags von Magdeburg erhob schwere Vorwürfe gegen Deutschland und unterstützte Frauen, die aus Saudi-Arabien flüchteten.
    REUTERS

    Auf den Punkt gebracht

    • In Wien feiern Tausende Syrer den Sturz von Präsident Assad mit Freudentänzen und Jubelrufen, während die Zukunft Syriens ungewiss bleibt.
    • Trotz der Euphorie warnen Experten vor den Gefahren des Vormarschs der radikal-islamischen Haiat Tahrir al Scham und möglichen neuen Flüchtlingsbewegungen, während einige Exil-Syrer auf eine friedliche und demokratische Zukunft hoffen.
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