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Suizid wegen Nacktfoto – "Täter muss in Haft"

Heute Redaktion
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Ein Mädchen hat sich das Leben genommen, nachdem ein Mann ihre Nacktbilder auf Pornoseiten veröffentlicht hatte. Der mutmassliche Erpresser ist sich keiner Schuld bewusst.

«Jeder hat Angst, zu sterben, bis man ein Kind verliert. Dann hat man Angst zu leben»: Diesen ergreifenden Satz schrieb die Mutter ein halbes Jahr nach dem Tod ihrer Tochter auf Facebook. Im Juni 2017 hatte sich ihre Jüngste im Alter von erst 14 Jahren das Leben genommen. «5380 Tage Liebe», schrieb die Mutter an jenem Tag. Und weiter: «Meine Liebste geht von uns. Es gab zu wenige Tage, aber jeder von ihnen war unbezahlbar. Es ist schwer, ohne sie zurückzubleiben.»

Die Jugendliche nahm sich das Leben, nachdem sie von einem 30-Jährigen Mann erpresst worden war. Die beiden hatten sich im Internet kennengelernt, er drängte sie dazu, Nacktbilder und Videos mit sexuellem Inhalt zu machen. Diese veröffentlichte er unter ihrem echten Namen auf einer Pornoseite.

Täter zeigt keine Reue

Ab heute, Donnerstag, steht der Mann wegen wegen sexuellen Handlungen mit einem Kind, Nötigung und Pornografie in der Schweiz vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft fordert zwei Jahre Haft, diese soll allerdings zugunsten einer ambulanten Therapie aufgeschoben werden. Der Suizid ist nicht Teil der Anklage, da eine Verbindung zu den Taten des Schweizers nicht nachgewiesen werden kann.

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Jetzt schildert der Angeklagte seine Sicht der Dinge: "Ich wollte nur ein bisschen Druck machen. Ich hoffe, die Sache ist bald vergessen", sagt der 30-Jährige zum "Blick". Schuldig am Tod des jungen Mädchens fühlt er sich nicht.

Stattdessen macht er sich Sorgen, dass der Fall negative Konsequenzen für ihn haben könnte: "Ich habe Angst, dass die Sache an mir hängen bleibt." Er habe schon Monate vor dem Suizid keinen Kontakt mehr mit dem Mädchen gehabt. Er habe erst in der Untersuchungshaft vom Selbstmord erfahren. Dass er sie aber mit den Nacktbildern unter Druck gesetzt hatte, gibt er offen zu: "Ja, ich drohte mit ihren Nacktbildern. Und ja, ich habe sie auch ins Netz geladen."

"Bei Taten im virtuellen Raum sind die Strafen zu tief"

Schweizer Parlamentarier rufen nun nach härteren Strafen bei Cyberdelikten. Für CVP-Nationalrätin Viola Amherd etwa ist klar, dass das Strafgesetz nicht ausreicht – gerade für Fälle, in denen ein Opfer durch Cyber-Mobbing, Sextortion oder das Weiterverbreiten von Nacktbildern in den Tod getrieben wird: "Meist führen mehrere Gründe dazu, dass sich eine junge Person das Leben nimmt. Das Veröffentlichen von Nacktfotos auf einem Pornoportal kann aber das Fass zum Überlaufen bringen." Heute komme ein Täter zu glimpflich davon.

Amherd fordert jetzt einen eigenen Strafartikel, um solche Delikte schärfer ahnden zu können: "Heute muss man sich mit Straftatbeständen wie sexuellen Handlungen mit Kindern, Nötigung oder Pornografie behelfen. Weil die Taten aber im virtuellen Raum stattfinden, fallen die Strafen zu mild aus." Wichtig sei auch, dass schon Grooming – also das gezielte Ansprechen von Kindern durch Erwachsene mit sexuellen Absichten – geahndet werden könne. "Heute kann die Polizei erst einschreiten, wenn es zu spät ist."

"Ihn einfach hinter Gitter zu sperren, ist problematisch"

Strafrechtsprofessor Peter Albrecht kann den Antrag der Staatsanwaltschaft verstehen: "Es gibt in der Regel ein psychiatrisches Gutachten, das eine solche Maßnahme empfiehlt und den Täter als therapierbar einstuft. Eine ambulante Maßnahme kann die Rückfallgefahr am effektivsten reduzieren, da der Täter in seinem gewohnten Umfeld therapiert werden kann. Einen solchen Täter einfach für zwei Jahre hinter Gitter zu sperren, ist problematisch, da er nachher oft noch eine Gefahr für die Gesellschaft darstellt." Auch eine Therapie im Gefängnis sei oft weniger wirksam, da es dort in der Regel an einem therapiefreundlichen Umfeld mangelt.

Eine Verbindung zwischen der Erpressung und dem Suizid des Mädchens herzustellen, sei für die Justiz schwierig, sagt Albrecht: "Man muss nachweisen können, dass der Tod eine direkte Folge des Verhalten des Beschuldigten ist. Das ist eine hohe Hürden, da bei einem Suizid in der Regel viele Faktoren zusammenspielen und eine Kausalität nicht abgeleitet werden kann." (the)