Niederösterreich
Mutter: "Behörde brach Tür auf und nahm mir Kind weg"
Julia E. aus Niederösterreich ist verzagt: Ihre Tochter (4) wurde heute morgen abgeholt, noch am Vormittag soll die Kleine nach Amerika fliegen.
Julia E. ist nach einer Kommando-Aktion aufgelöst und verzweifelt: Heute kurz vor 8 Uhr standen Gerichtsvollzieher, Beamte und ein Schlosser vor der Türe in Mautern (Krems), brachen die Türe auf und nahmen die Tochter mit. "Sie hat aus Angst in die Hose gemacht, wurde so dann in den Sitz gepresst. Sie durfte keine persönlichen Sachen mitnehmen", erzählt die Mutter. "Mein Kind war noch im Pyjama, eine Schande. Ein Behördenmitarbeiter meinte, dass mein Kind eh eine Decke bekomme", berichtet Julia E.
Kind am Airport
Die Mutter kontaktierte daraufhin das Jugendamt Krems und fuhr zum Kremser Gericht (welches zuständig ist). Das Kind dürfte unverzüglich zum Flughafen gebracht worden sein. "Ist es mal außer Landes, sehe ich die Kleine lange nicht mehr", so die Mutter verzagt. Mittlerweile wird am Flughafen Schwechat demonstriert, die verzagte Mutter ist am Airport.
Doch wie kam es zu der extremen Situation und der behördlichen Kindesabnahme?
Alles begann vor vielen Jahren in Wien: Julia (43) lernte einen Amerikaner, der in Wien arbeitete, kennen und lieben. Da er keine Karrierechancen mehr in Wien sah, zog er zurück nach Kalifornien und fand einen Job als Ingenieur.
"Vater wollte Kind nicht"
Julia aus NÖ hatte also die Wahl: Beziehung beenden oder in den USA ein neues Leben beginnen. Sie zog 2016 von Wien in die Nähe von San Francisco, suchte um ein Verlobten-Visum an und heiratete den Amerikaner (42), war aber völlig abhängig vom Partner. Das Paar hatte anfangs einen gemeinsamen Kinderwunsch, es klappte auch sofort. "Doch er war dann nicht mehr begeistert, meinte ich solle abtreiben und wir würden dann später ein Kind machen", so die 43-jährige Krankenschwester.
Das Kind, Mary (Anm.: Name geändert) kam Ende 2017 zur Welt, nach sechs Wochen soll er gesagt haben: "Geben wir die Obsorge doch meiner Mutter. Ich sollte nur noch kochen und putzen und das Kind nervte ihn." 2018 reiste die Mutter nach Österreich, machte Urlaub, das Kind wurde Doppelstaatsbürger.
Schwerer Vorwurf
Mit Winter 2018 soll der Amerikaner zunehmend bedrohlich geworden sein. "Es wurde immer schlimmer, ich musste weg", so Julia. Kurz vor der Rückreise nach Österreich soll sich der Amerikaner an der 43-Jährigen vergangen haben (es gilt die Unschuldsvermutung), brachte aber dann die Mutter samt Kind für die Rückreise nach Österreich zum Flughafen.
In Österreich reichte sie die Scheidung und alleiniges Obsorgerecht ein. Was sie nicht wußte: Er reichte in Amerika die Scheidung ein und zeigte sie wegen Kindesentführung an. Am 11. November 2019 kam die Klage nach dem Haager Übereinkommen (Anm.: zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung). "Ich war geschockt und fassungslos. Leider war es kein Faschingsscherz", so die Niederösterreicherin.
Gerichtliches Gezerre
Es folgte ein gerichtlicher Spießrutenlauf, das Bezirks- und Landesgericht Krems gab der Mutter Recht, der OGH kippte das Urteil und der Vater bekam das alleinige Sorgerecht in den USA. Im Herbst 2020 kam der Vater nach Österreich und besuchte das Kind. Am 22. Dezember 2020 sah der Vater das Kind zuletzt - der Besuch endete mit einem Polizeieinsatz. "Meine Kleine hat Angst vorm Vater. Er machte ja nur absurde Sachen mit dem Kind", erzählt die 43-Jährige.
Petition für das Kind
Aufgrund des OGH-Urteils drohte Mary die Rückführung in die USA - 2021 wurde sogar eine Petition für das Kind gestartet, über 6.000 Menschen unterschrieben bereits - mehr dazu hier. Die Mutter ging an die Öffentlichkeit - prompt kamen Unterlassungsklagen.
Wegen Kindeswohlgefährdung durfte Mary in Österreich bleiben, der Vater, mittlerweile Gutverdiener und Erbe, soll mit dem richtigen Netzwerk und viel Geld Druck auf die Behörden ausgeübt haben. "Er hat nur die besten Wiener Anwälte und gute Kontakte", so die Mutter. Auch die Mutter der 43-Jährigen, die ihrer Tochter in den USA oft beigestanden hatte, wurde angezeigt. Sogar das FBI wurde eingeschaltet.
Das sagt Anwältin
In ihrer Verzweiflung wandte sich Julia vor wenigen Tagen an die renommierte Anwältin Astrid Wagner, die sich bei Sorgerechtsstreitigkeiten bestens auskennt: "Ich überlege eine Strafanzeige gegen den Gerichtsvollzieher. Wir werden jetzt natürlich alles versuchen. Dass dies so schnell eskaliert, damit war nicht zu rechnen."
Das sagt Gericht
Mittlerweile gab auch das zuständige Gericht, das Landesgericht Krems, eine Stellungnahme ab: "Leider kann ich Ihnen auf Grund überwiegender schutzwürdiger Interessen anderer am Verfahren Beteiligter in dieser Sache leider keine Auskünfte erteilen (laut Art 20 Abs 3 B-VG)", so Sprecher Ferdinand Schuster am Donnerstagmittag. Schuster verweist weiters auf die Zuständigkeit des kalifornischen Gerichtes.