Situation "eng wie nie zuvor"
Sterben in Ukraine – Russland gehen Arbeitskräfte aus
Viele Zehntausend Tote hat Putins Invasion der Ukraine unter seinen eigenen Soldaten gefordert. Das bekommt nun auch seine Wirtschaft zu spüren.
Das jüngste Zaudern des Westens und stockende Hilfspakete bestärken Kreml-Despoten Wladimir Putin, dass sein Russland im Ukraine-Krieg jetzt wieder die Oberhand. Davon bestärkte, stieß der Autokrat jüngst aktiv Drohungen gegen das neue NATO-Mitglied Finnland aus. Und auch auf dem Schlachtfeld gehen seine Invasionstruppen jetzt wieder verstärkt in die Offensive – unter horrenden Verlusten.
Laut einem aktuellen Diskussionspapier des estnischen Verteidigungsministeriums, das eine neue NATO-Strategie vorschlägt, würde die russische Armee alle sechs Monate rund 50.000 Gefallene und Schwerverwundete zählen.
Demnach könnte die Ukraine in den kommenden zwei Jahren komplett in die Defensive gehen, um mit westlicher Unterstützung, die russische Armee immer stärker ausbluten zu lassen. "Spätestens 2026" werde Russland dann den Krieg verloren haben.
Durchhalteparolen auch aus dem Kreml
"Das hat ja immerhin eine positive Annahme, nämlich dass die Ukraine bis dahin noch existiert und auch bis 2025 oder 2026 noch kämpfen kann", quittierte Rainer Munz, ntv-Korrespondent in Moskau, dieses Szenario am Dienstag nüchtern.
Das Sentiment in der russischen Hauptstadt sei naturgemäß ein anderes: "Hier in Russland sieht man das vielleicht etwas anders und erwartet eher, dass die Unterstützung für die Ukraine im kommenden Jahr, oder vielleicht im Jahr darauf, nachlässt und dass man nur lange genug durchhalten muss und am Ende wird Russland seine Ziele durchsetzen." Das jedenfalls sei das Bild, das der Kreml nach außen hin vermittle.
"Viel Spielraum gibt es da nicht mehr"
Doch auch in dem riesigen Land werden die Spuren des Ukraine-Krieges immer deutlicher. Diktator Putin wirbt jetzt sogar für mehr erwerbstätige Frauen – weil die Männer in der Ukraine sterben. "So groß ist die Reserve gar nicht. Frauen zwischen 16 und 55 sind zu 80 Prozent bereits erwerbstätig. Also wie viele sollen das noch werden?", fragt der deutsche Reporter. "So viel Spielraum gibt es da nicht mehr."
Vor allem widerspreche das allem, was aus dem Kreml sonst noch zu hören sei: "Putin spricht von acht Kindern, die die Frauen bekommen sollen, weil das Bevölkerungswachstum zurückgeht hier in Russland." Seine konservativen Mächte stellen auch das Recht auf Abtreibung aktuell mehr denn je zur Diskussion. Selbst in der Sowjetunion sei dies in Privatkliniken für Frauen immer möglich gewesen: "Dort darf man jetzt nicht mehr abtreiben und es ist sehr in der Diskussion, ob es weiter in staatlichen Kliniken noch der Fall sein soll."
Unterm Strich sei die Lage bereits angespannt: "Was Russland braucht, sind noch mehr Arbeitskräfte, denn jetzt herrscht schon Arbeitermangel wegen des Krieges in der Ukraine, wegen den vielen Männern, die dort kämpfen, wegen der vielen Toten. Deswegen ist der Arbeitsmarkt sehr eng hier, die Arbeitslosenrate so niedrig wie nie zuvor", schließt der Korrespondent seinen Bericht aus Moskau.