Fussball
Stankovic rechnet ab: "Wollte nur weg aus Österreich"
ÖFB-Tormann Cican Stankovic fand in Athen sein Glück. Im "Heute"-Interview zeigt er sich von Teamchef Franco Foda und einigen Fans enttäuscht.
Cican Stankovic holte mit Salzburg elf Titel in sechs Jahren, spielte in der Champions League, war im Nationalteam die Nummer 1. Im Frühjahr 2021 folgte der große Schock: ÖFB-Coach Franco Foda sortierte den Keeper kurz vor der Euro aus. Im Sommer schließlich überraschte der 29-Jährigen mit seinem Wechsel zu AEK Athen. Seitdem wurde es ruhig um den Schlussmann, der in Griechenland sportlich für Furore sorgt.
"Heute" erreichte Stankovic am Telefon, wollte wissen, wie sich sein neues Leben in Griechenland anfühlt – und was es mit der ÖFB-Ausbootung auf sich hat. Die Antworten haben es in sich.
"Heute": Herr Stankovic, in Zeiten wie diesen ist diese Frage berechtigt: Wie geht es Ihnen?
Cican Stankovic: "Danke, grundsätzlich gut. Aber ich habe seit circa einem Monat Meniskusprobleme. Nach der Herbstsaison ist eine kleine Operation nötig. Bis dahin spiele ich mit Tabletten. Ich kann mir jetzt keine Pause leisten, es stehen zu viele wichtige Spiele mit AEK Athen am Programm."
Wie gefällt Ihnen das Leben in Griechenland?
"Das Leben ist hier natürlich komplett anders als in Österreich. Fast jeden Tag scheint die Sonne, das Wetter ist wunderbar. Und der Verein ist riesig. Überall laufen Fans herum, wenn wir gut spielen, herrscht eine unglaubliche Euphorie. Bald spielen wir daheim gegen Olympiakos, da geht es um die Tabellenführung. Was ich gehört habe, kommen 40.000 bis 50.000 Zuschauer."
Was können Sie generell über die griechische Liga berichten?
"In der Liga hast du fast nur Ausländer. Pro Klub spielen vielleicht zwei bis drei Griechen. Und die Jungen bekommen fast keine Chance. Ganz anders als in Österreich und speziell in Salzburg. Die Partien sind außerdem härter, hitziger. Auch außerhalb des Feldes sind viele Emotionen dabei."
Sie waren sechs Jahre bei Salzburg erfolgreich. Warum haben Sie im Sommer plötzlich den Verein gewechselt, zwei Jahre vor dem Vertragsende?
"Es gibt ein paar Gründe. In erster Linie habe ich dringend einen Tapetenwechsel gebraucht. Es war nämlich so, dass Teile der Fans und der Medien die Objektivität verloren haben, nur noch auf meine Fehler gewartet haben. Ich hatte ein schlechtes Standing, keine Wertschätzung. Obwohl ich der einzige österreichische Torhüter war, der in der Champions League spielt und seit langer Zeit die erste österreichische Nummer eins bei Salzburg war. Ich wollte mir das einfach nicht mehr antun, wollte nur noch weg aus Österreich. Ich habe meinen Manager gebeten, was im Ausland zu suchen. Als sich mit AEK ein Topklub gemeldet hat, musste ich nicht lange überlegen. Außenstehende waren vom Wechsel natürlich überrascht."
Salzburg hat Sie dann auch um wenig Geld – kolportiert wird eine Million Euro – ziehen lassen.
"Ich habe ihnen meinen Standpunkt erklärt, sie sind mir deshalb entgegengekommen bei der Ablöse. Mit dem Klub selbst hatte ich ja absolut keine Probleme."
Im März hat Sie ÖFB-Coach Franco Foda überraschend aus dem Nationalteam gestrichen. Die EM fand ohne Sie statt. Warum? Ist damals etwas vorgefallen?
"Nein, ich habe nie Probleme mit ihm gehabt. Er hat allerdings auch nie mit mir gesprochen. Vielleicht schmecke ich ihm als Typ nicht. Ich bin keiner, der sich aufregt, wenn er nur auf der Bank sitzt – aber ich renn dann halt auch nicht mit einem breiten Grinser durch die Gegend. Die Nicht-Nominierung für die EM hat jedenfalls sehr weh getan. Ich bin dem Populismus zum Opfer gefallen."
Ist das Thema Nationalteam unter Foda erledigt?
"Wenn er mich einberuft, würde ich meiner Verpflichtung natürlich nachgehen, weil ich unfassbar gerne für mein Land spiele. Aber es ist sicher nicht so, dass ich sehnsüchtig auf seinen Anruf warte."
Gab es eine Aussprache?
"Nein, wir haben nur einmal kurz miteinander gesprochen."
Das Nationalteam hat die direkte WM-Quali verpasst. Liegt es am Trainer?
"Man wundert sich natürlich schon, was da los ist, denn mit dieser Mannschaft wäre so viel mehr möglich. Sagen wir so: Mit Taktik kennt sich Foda schon aus, aber es gehört einfach mehr dazu. Menschenführung ist zum Beispiel sehr wichtig. Es geht nicht, dass ein Trainer nur mit ein paar Auserwählten spricht und den Rest zur Seite schiebt. In Salzburg habe ich erlebt, wie es sein sollte."
Jetzt ist Daniel Bachmann Team-Torhüter. Ihre Meinung über ihn?
"Ich kenne ihn gar nicht persönlich, wir waren nie gemeinsam beim Nationalteam. Aber er ist sicher ein guter Tormann, sonst wäre er nicht in der Premier League."
Sie haben in Salzburg mit großartigen Kickern zusammengespielt. Wer war der beste Defensivspieler, wer der stärkste in der Offensive?
"Haaland war schon eine Macht, aber auch viele andere. Keita zum Beispiel – unser Spiel hat von ihm gelebt. Defensiv habe ich mich mit Ramalho pudelwohl gefühlt."
Wer war der beste Trainer?
"Marco Rose hat mich wieder zum Leben erweckt und mich zur Nummer eins gemacht. Jesse Marsch hat dann dort weitergemacht, wo Marco aufgehört hat. Also diese beiden waren schon unglaublich, auch von der menschlichen Seite. Die vier Jahre mit ihnen waren herausragend."
In Salzburg wurde jedes Jahr das Double gefordert.
"Der Druck war schon riesig, aber wir haben es immer durchgezogen. Ehrlicherweise war danach die Erleichterung meist größer als die Freude."
Rapid war zuletzt zwei Mal Vizemeister, gegen Salzburg aber meist chancenlos. Waren sie der größte Konkurrent?
"Wir waren gegen Rapid immer sehr motiviert, das stimmt. Aber aus meiner Sicht war letztes Jahr Sturm die zweitbeste Mannschaft, davor der LASK. Es klingt komisch, aber wir wussten immer, dass diese beiden Klubs uns eher weh tun können, als Rapid."