"Anzeigenhauptmeister"
Stadt hebt nur 357 € statt 33.000 € an Strafen ein
Eine TV-Reportage machte ihn berühmt. Doch der Nutzen, den Niclas Matthei der Allgemeinheit bringt, ist um Hundertfaches niedriger als gedacht.
Er selbst nennt sich "Anzeigenhauptmeister". Durch einen "Spiegel TV"-Beitrag wurde er nun einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Niclas Matthei ist erst 18 Jahre alt, doch sein ungewöhnliches Hobby sorgt seit Tagen für reichlich Unterhaltung und Diskussionsstoff in den sozialen Netzwerken. Der Deutsche macht Jagd auf Falschparker und meldet diese beim Ordnungsamt. Ziel des 18-Jährigen ist es, in jeder Gemeinde Deutschlands einen Falschparker anzuzeigen.
In seiner Heimatstadt hat er bereits acht Prozent der Bevölkerung angezeigt, wodurch das Ordnungsamt über 32.000 Euro eingenommen hat. Damit macht er sich wenig Freunde. Regelmäßig wird er bei seiner Tätigkeit beleidigt, doch er lässt sich davon nicht beeindrucken, schließlich weiß er: Auch dafür gibt es eine Anzeige. Noch dazu ist dies weit lukrativer als seine anderen Anzeigen.
Großteil der Anzeigen nicht verwertbar
Mittels App meldet er Straßenverkehrssünder den zuständigen Ordnungsämtern. Doch der Nutzen, den er der Gesellschaft vermeintlich bringt, ist weit weniger groß als gedacht. Sichtbar wird das am Beispiel seiner Heimatgemeinde Gräfenhainichen. In dieser hat Matthei laut eigenen Angaben allein im Jahr 2023 905 Anzeigen erstattet – also rund 2,5 pro Tag. Laut Bußgeldkatalog wären somit 32.875 Euro an Strafen fällig gewesen.
Doch wie Recherchen mittlerweile ergeben haben, hob die Stadtverwaltung nur einen minimalen Bruchteil davon ein. Auf eine entsprechende Anfrage erklärte Bürgermeister Enrico Schilling (CDU), dass im Jahr 2023 nur 22 eingeleitete Verfahren die Folge von Anzeigen von Privatpersonen waren. Dabei wurden nur 357 Euro erhoben. Fast um das Hundertfache weniger, als Matthei in seiner Statistik angibt. Doch wie kann das sein?
Der Grund ist einfach: "99,9 Prozent der Anzeigen haben nicht die Qualität, dass sie gerichtsfest bearbeitet werden könnten. Vielleicht bei einer Handvoll Anzeigen kommt dabei etwas raus", erklärte Bürgermeister Schilling der deutschen "Bild". Der Ortschef zeigt nur wenig Verständnis für das Hobby des 18-Jährigen. "Er flutet das Ordnungsamt", sagt er. Zum Schmunzeln sei ihm angesichts seines nun prominenten Mitbürgers schon lange nicht mehr. Die Stadt im Bundesland Sachsen-Anhalt prüfe derzeit sogar "alle rechtlichen Maßnahmen", um den selbsternannten "Anzeigenhauptmeister" – so stellt sich Matthei mitunter auch der Polizei vor – zu bremsen. Einen "solchen Unfug" könne man nicht dulden.
Wegen Lappalien wird Notruf gewählt
Doch nicht nur, dass Matthei große Freude daran hat, Parksünder zu melden. Auch privat dürfte er schnell dabei sein, den Notruf zu wählen. So soll er einmal wegen eines Astes, der auf der Straße lag die Feuerwehr alarmiert haben. Vor Ort stellten die Einsatzkräfte dann fest, dass sie den Zweig mit dem Fuß von der Fahrbahn schieben konnten.
Auch geht im vermeintliche Ruhestörung stark gegen den Strich. Einmal rief er die Polizei, weil Nachbarn in ihrem Garten grillten und dabei das Radio laufen ließen. Laut Bürgermeister rückten die Beamten genervt wieder ab. In einem anderen Fall wählte der 18-Jährige den Polizeinotruf, weil ein Nachbar in der Mittagsruhezeit von 13 bis 15 Uhr staubsaugte.
Auf den Punkt gebracht
- Niclas Matthei, auch bekannt als "Anzeigenhauptmeister", ist für seine Jagd auf Falschparker berühmt geworden, allerdings hat seine Tätigkeit in seiner Heimatstadt nur 357 € anstatt der erwarteten 33.000 € an Strafen eingebracht
- Die meisten seiner Anzeigen erweisen sich als nicht verwertbar, was zu Unverständnis und Gegenmaßnahmen der lokalen Behörden führt
- Außerdem neigt er dazu, auch wegen Kleinigkeiten wie einem herumliegenden Ast oder Grillgeruch den Notruf zu wählen