Politik
Sozialminister Johannes Rauch räumt im ORF mit Lüge auf
Johannes Rauch glaubt nicht an eine Entspannung durch ein mögliches Ende im Ukraine-Krieg. Österreich befinde sich in einer "multiplen Krisenlage".
"Wer nur drei Tage die Woche arbeiten will, muss Dacia fahren" – mit dieser Aufreger-Aussage startete Immobilieninvestor Gerald Hörhan am Sonntag in den ORF-Talk "Im Zentrum" zum Thema "Streiks und hohe Inflation – Verdienen wir zu wenig?". Derzeit hätten es Österreich und Europa mit starker Inflation und Mangelwirtschaft zu tun.
Durch die Pandemie, Deglobalisierung und Krieg werde die Bevölkerung immer mehr enteignet, so der als "Investment-Punk" bekannte Hörhan weiter. Die Gesellschaft müsse nun den Gürtel enger schnallen.
Damit lieferte der Unternehmer mit der schwarzen Lederjacke dem ebenfalls anwesenden Sozialminister Johannes Rauch eine Steilvorlage. Es gebe viele Menschen, die kein weiteres Loch im Gürtel hätten, um diesen noch enger zu ziehen. Diesen helfe der Staat bereits mit Geldboni aus. Diese würden bei den Menschen ankommen, und es gäbe zahlreiche positive Rückmeldungen von Betroffenen, betont der Grünen-Politiker.
"Es wäre eine Lüge"
Ukraine, Teuerung, Energie, Klima – Österreich habe eine "multiple Krisenlage" zu meistern. Ein leider "nicht sehr sexy" Wort, wie der gebürtige Vorarlberger scherzt. Das alles habe aber "massive Auswirkungen auf die Wirtschaft und Lebensbedingungen der Menschen".
Dann legt er nach: der Gürtel dürfte noch länger eng geschnallt bleiben. "Es wäre eine Lüge zu glauben, es wird wieder so wie früher, wenn der Krieg in der Ukraine zu Ende ist. Das glaube ich nicht", stellte Rauch klar.
Verteilungsgerechtigkeit
Auch abseits der akuten Krisen, gebe es drängende Probleme, die gelöst werden müssten. Europa sei ein "alternder Kontinent", die Kosten in der Pflege und der Gesundheit würden weiter steigen. "Gleichzeitig erodieren dem Finanzminister die Beitragsgrundlagen weg", schildert der Sozial- und Gesundheitsminister.
Er will deshalb eine unliebsame Debatte anstoßen. Rauch ist sich sicher: Es führt kein Weg an einer Erbschafts- und Vermögenssteuer vorbei, "weil sich das gar nicht anders ausgeht."
"Ich halte es nicht für unanständig oder für kommunistisch, sondern gerecht.", sagt Rauch in der von Tarek Leitner moderierten Runde und liefert gleich ein Beispiel, das ihm ein Dorn im Auge ist: Die Vermögen der 100 reichsten Österreicher hätten sich 2020 bis 2022 um 48 Milliarden Euro erhöht. Das sei ein Plus von 30 Prozent.
Er könne sich daher eine Zweckwidmung bei einer Abschöpfung solcher Vermögen vorstellen: das Geld solle etwa in das Gesundheitssystem oder zur Bekämpfung der Kinderarmut im Land aufgewendet werden.
"Dann fliegt uns Demokratie um die Ohren"
Es ginge darum, eine Balance des Wohlstandes durch alle Bevölkerungsschichten sicherzustellen, da diese auch "für die Demokratie essentiell ist". "Wenn uns das nicht gelingt, dann fliegt uns die Demokratie um die Ohren".
Dabei verwies Rauch auch auf namhafte Vertreter der oberen 10.000, die seit Jahren laut den Staat auffordern: "Bitte besteuert uns". Dazu gehören etwa die Millionen-Erbinnen Marlene Engelhorn (30) in Österreich, oder auch Stefanie Bremer (33) in Deutschland.
Aber der Sozialminister weiß, dass er mit diesem Vorstoß derzeit auf verlorenem Posten steht: "Meine politische Haltung in dieser Frage ist nicht mehrheitsfähig in dieser Koalition. Das habe ich schon mehrfach festgestellt, ich werde es aber trotzdem immer wieder thematisieren, weil ich finde, dass man darüber reden muss."