Wirtschaft
Änderung bei Sozialhilfe – was jetzt alles neu ist
2019 wurde die Sozialhilfe von Türkis-Blau reformiert. Nun kippt der Verfassungsgerichtshof einige Bestimmungen aus dem Sozialhilfe-Grundsatzgesetz.
Im Mai 2019, kurz bevor das Bekanntwerden des Ibiza-Skandals die türkis-blaue Regierung unter Kanzler Sebastian Kurz zu Fall brachte, trat das neue Sozialhilfegesetz in Kraft. Nun hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) in seinen jüngsten Beratungen mehrere Bestimmungen aus dem Sozialhilfe-Grundsatzgesetz (SH-GG) wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben. Vor allem geht es dabei um Sachleistungen. Auch das Wiener Mindestsicherungsgesetz ist betroffen.
Im Rahmen der Novellierung wurden Höchstgrenzen für Sozialhilfeleistungen festgelegt. Alles was darüber hinausgeht, durften die Länder, die für die Abwicklung der Sozialhilfe zuständig sind, nur in Form von Sachleistungen gewähren, um Härtefälle zu vermeiden. Das wird sich nun wieder ändern, denn wie der VfGH in seiner Aussendung argumentiert, sei es "nicht gerechtfertigt und widerspricht daher dem Gleichheitsgrundsatz, dass diese Zusatzleistungen ausnahmslos als Sachleistungen gewährt werden dürfen".
Sachleistungen verfassungswidrig
Das bisherige Gesetz schreibt vor, dass der Wohnbedarf, also Miet- und Betriebskosten, durch die allgemeinen Sozialhilfeleistungen abgedeckt werden muss. Alles was über den Höchstwert hinausgeht, darf nur als Sachleistung gewährt werden – beispielsweise indem der Sozialhilfeträger den Mehraufwand direkt an den Vermieter überweist.
Hinter der Bestimmung stehe zwar ein legitimes Ziel: Dass die Leistungen auch für jenen Zweck verwendet würden, für den sie vorgesehen sind. Allerdings stünde höheren Leistungen auch ein höherer Bedarf gegenüber, den die Hilfsbedürftigen nicht beeinflussen können, beispielsweise besonders hohe Mieten.
Auch Wiener Mindestsicherungsgesetz betroffen
Eine weitere Neuerung betrifft Personen, die in einer Haushaltsgemeinschaft leben. Bisher durften die monatlichen Leistungen für diese Gruppe der Sozialhilfe-Bezieher maximal 70 Prozent des Richtwertes (im Jahr 2023 1.054 Euro für Alleinlebende) betragen. 75 Prozent sind es beim Wiener Mindestsicherungsgesetz – das verstoße jedoch gegen die festgelegten Höchstsätze und sei daher verfassungswidrig, liest es sich im Urteil des Höchstgerichts.
Die Mietbeihilfe dürfe also sehr wohl als Geldleistung ausgezahlt werden: "Da der Zwang zur Sachleistung im SH-GG verfassungswidrig ist, darf die Mietbeihilfe als Geldleistung ausgezahlt werden." Einige Sozialhilfe- und Mindestsicherungsbezieher dürfen sich also wohl bald über ein kleines Plus am Konto freuen.
Gemischte Reaktionen auf das Urteil
Caritas-Präsident Michael Landau begrüßt die Entscheidung: "Besonders in Zeiten von Rekordinflation und steigenden Mieten hat das bisherige Vorgehen die Situation von Menschen, die Sozialhilfe beziehen, zusätzlich verschärft". SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch hingegen kritisiert das Gesetz als solches.
"Ein Gesetz, das Armut organisiert, statt Armut zu verhindern, ist insgesamt ein Problem. Seit Bestehen dieses Gesetzes hebt der VfGH eine Bestimmung nach der anderen auf. Es wird Zeit, dass wir dieses Gesetz in dieser Form endgültig kübeln", so der Gewerkschafter. Für die FPÖ riecht das Ganze nach einem ideologisch getriebenen Urteil, so Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch in einer Presseaussendung.