Wien
Corona-Lage in Wien – die härteren Maßnahmen bleiben
Wiens Bürgermeister Michael Ludwig rief Dienstagmittag zu einer Pressekonferenz ins Rathaus. Das Thema: die aktuelle Corona-Situation in Wien.
An der Seite des Stadtchefs werden zwei hochkarätige Experten auftreten. Neben Ludwig nehmen der Medizinische Direktor des Wiener Gesundheitsverbunds, Michael Binder, und auch Sylvia Hartl, die Vorständin der Abteilung für Atemwegs- und Lungenkrankheiten der Klinik Penzing an der Pressekonferenz teil.
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"Die Pandemie ist nicht vorbei", mahnte Bürgermeister Michael Ludwig gleich zu Beginn. Auch wenn die Infektionszahlen derzeit relativ niedrig seien und die Auslastung in den Spitälern gering, stelle die erwiesen ansteckendere Delta-Variante des Virus ein Risiko für den Herbst dar, so der Stadtchef. Das zeigten auch Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern, wo die Fallzahlen bereits gestiegen seien und eine neuerliche Welle absehbar sei. Nachsatz: "Es wird ja niemand ernsthaft glauben, dass Österreich verschont bleibt".
"Solange nicht eine ausreichend große Zahl von Menschen geimpft und voll immunisiert ist, gilt es, jene zu schützen die sich noch anstecken können", sagte Ludwig. Er gab zu bedenken, dass ein Großteil der Wiener er immer noch keinen Stich erhalten hätte und damit ungeschützt sei. "Dazu gehören auch Kinder, die noch nicht geimpft werden können – und ihre Eltern, die in einem Alter sind, in dem viele Personen auch noch keinen Impfstoff erhalten haben".
Bürgermeister Ludwig appellierte an alle Wiener, weiter konsequent zu testen und das kostenlose Testangebot der Stadt in Anspruch zu nehmen. Sowohl "Alles gurgelt!" als auch die "Gurgelboxen" sollen weiter Bestand haben.
Ludwigs erklärtes Ziel ist es, die Maßnahmen der Stadt "möglichst wenig einschränkend" zu halten, trotzdem aber eine unkontrollierte Ausbreitung des Virus verhindern.
Reproduktionsfaktor steigt wieder
"Die Delta-Variante ist in Europa bereits angekommen“, schärfte auch Michael Binder im Anschluss nach. Ein Anstieg der Fälle werde auf EU-Ebene bereits seit dem 15. Juni verzeichnet. Mit den steigenden Fallzahlen und einer steigenden Reproduktionszahl des Virus werde das Risiko einer Welle immer größer.
"Die Delta-Variante ist ansteckender und wird das Infektionsgeschehen auf kurz oder lang beherrschen", so der Mediziner. "Die Talsohle ist überschritten und wird uns auch zu Handlungen zwingen."
Aus den Daten aus Großbritannien zeige sich: "Die Kinder sind die Treiber der Delta-Variante, deshalb ist es wichtig, auch Kinder zu testen" – bevorzugt mit genaueren PCR-Tests wie dem Gurgeltest statt mit Antigen-Schnelltests. Die einzigartige Teststruktur in Wien könne laut dem Experten dazu beitragen, die drohende Welle möglichst flach zu halten und neue Lockdowns zu verhindern.
Spitäler haben "keine Ressourcen"
Primarin Sylvia Hartl schilderte aus Sicht der Spitäler, dass schon jetzt "keine Ressourcen" mehr vorhanden seien. "Wir haben alle Hände voll zu tun", sagte die Medizinerin im Hinblick auf den Rückstau der aufgeschobenen Operationen durch die Covid-Krise.
Es brauche jetzt eine möglichst flache Welle. "Jetzt kommt es darauf an, möglichst viele zu impfen. Wer nicht geimpft werden kann – das sind derzeit noch vor allem Kinder – muss mit zuverlässigen PCR-Tests getestet werden", so Hartl.
Impfung schützte alle
Regelmäßiges Testen – auch der Jüngsten – sei derzeit immer noch das probateste Mittel gegen das Virus, sagten Binder und Hartl. Daten des deutschen Robert-Koch-Instituts (RKI) wiesen darauf hin, dass eine Durchimpfungsrate von 85 Prozent relative Sicherheit für alle bedeuten würde.
Die Impfung schütze dabei nicht nur einen selbst, sondern auch andere Menschen im Umfeld, weil sie die Zahl der Viren, die man in sich tragen kann – und damit auch die Chance auf eine neue Mutation – drastisch reduziert.
Kinder starben in Wien an Covid
Hartl appelliert an alle, sich weiter testen zu lassen und warnt davor, zu glauben, dass Kindern durch das Virus nur wenig passieren könne.
"Auch Kinder erkranken schwer. Wir hatten auch in Wien Post-Covid-Fälle von Kinder, die drei bis sechs Wochen nach der Infektion schwere Immunerkrankungen haben – und leider sind auch einige verstorben."
Ein solches Schicksal zu riskieren, stehe in keinem Verhältnis dazu, das Kind gurgeln zu lassen und sich ein bisschen mehr an Maßnahmen zu halten.