Fashion and Beauty
So gefährlich ist das Jawline-Training wirklich
Für einen definierten Unterkiefer wird der Kaumuskel neuerdings fleißig trainiert – doch Zahnärzte warnen vor schlimmen Folgen dieses TikTok-Trends.
Schon einmal von Luca Marchesi gehört? Auf Instagram fristet das Model ein verhältnismäßig unauffälliges Dasein. Auf TikTok aber hat der selbsternannte "CEO of Jawline" bereits 1,3 Millionen Follower gesammelt. Woran das liegt? Nun, er macht seinem Namen alle Ehre.
Luca bewirbt Video für Video ein kleines Silikon-Tool, mit dem man die Kaumuskulatur trainieren kann, um eine möglichst ausgeprägte Kieferpartie zu bekommen. Und die "Erfolge" sprechen für sich. Der Unterkiefer des Models ist, sagen wir mal, markant.
In der Kommentarspalte streiten sich die Followerinnen und Follower, ob die Ergebnisse wirklich dem Silikon-Tool oder vielleicht einfach Silikon an sich zuzuschreiben sind. Also, was ist dran am Kiefertraining? Wir haben bei einem Experten nachgefragt.
Kiefer-Training mit Nebenwirkungen
Dr. med. dent. Cedric Regez ist Zahnarzt bei der Zürcher Praxis Style Your Smile. Den Trend zur ausgeprägten Kiefermuskulatur beobachtet er schon länger und hat mit ihm so seine Schwierigkeiten. "Die Kaumuskulatur zu trainieren – und zwar in einem Ausmaß, wie das bei Luca Marchesi sichtbar wird – ist grundsätzlich möglich. Auch mit Tools, wie das Model sie benutzt", hält Regez fest. Das Problem dabei: Trainiert man den Kaumuskel zu stark, sind häufig Kopfschmerzen die Folge. "Woran das liegt, merkt man, wenn man zubeißt, und dabei mit den Fingern die Schläfen fühlt. Der Musculus Temporalis wird angespannt. Wird er überstrapaziert, tritt ein Effekt wie bei Muskelkater auf. Und der kann zu Migräne führen."
Kopfschmerzen und Fehlstellungen sind die Folge
Das Phänomen ist nicht erst seit dem TikTok-Trend bekannt: "Zu uns kommen regelmäßig Patienten mit einer Masseterhypertrophie, also einem vergrößerten Kaumuskel, wie das auch bei Luca der Fall ist. Ich behandle sie, weil sie Kieferbeschwerden haben oder über Nacken- und Kopfschmerzen klagen. Knirschen sie in der Nacht, wird der aufgebaute Druck durch den starken Muskel noch größer und die Zähne reiben umso mehr ab. Auch Zahnfehlstellungen können sich verschlimmern."
Üblicherweise behandelt der Zahnarzt derartige Beschwerden mit Knirscherschienen oder Botoxtherapien. Mit dem gezielt injizierten Nervengift wird der Muskel entlastet und kann wieder schrumpfen. Durch den Trend zum Kaumuskeltraining werden diese Probleme aber nun absichtlich provoziert. Auch wenn sie nicht zwangsläufig auftreten müssen. "Es gibt durchaus auch Menschen, die naturgegeben eine sehr ausgeprägte Kaumuskulatur haben und keinerlei Schmerzen spüren."
Die Gene spielen eine Rolle
Was man nicht vergessen darf: Es ist nicht alles eine Sache des Trainings. Neben einem starken Muskel spielt die Skelettstruktur eine Rolle dabei, wie definiert die Kieferpartie wirkt. Dass einige Menschen deswegen mit Unterspritzungen nachhelfen, um maskuliner zu wirken, überrascht den Zahnarzt nicht. "Man kann darüber streiten, ob das eine bessere Lösung ist. Den Nebenwirkungen von Jawline-Training geht man so aber definitiv aus dem Weg."
Außerdem ein wichtiger Faktor: der Körperfettanteil. "Der gesunde Weg zu einer definierten Jawline wäre deshalb sicherlich, Muskelgewebe am Rest des Körpers aufzubauen und den Fettanteil zu verringern. Den Effekt sieht man bei vielen Männermodels: Ein niedriger Körperfettanteil lässt die Muskeln überall definierter erscheinen. Auch die im Gesicht."