Ex-Speed-Star
Ski-Ikone warnt: "Sport ist zu gefährlich geworden"
In Bormio fordern Stürze mehrere Schwerverletzte. Ex-Ski-Star Marco Büchel spricht über die zunehmende Gefährlichkeit des Skirennsports.
Was war bitte auf der Strecke in Bormio los? Das Ski-Wochenende war eines voller Schrecken. So kam es zu mehreren sehr schweren Stürzen. Alles begann am Freitag im Training, als es den französischen Ski-Star Cyprien Sarrazin erwischte. An der gleichen Stelle wie der Franzose stürzten auch der Schweizer Josua Mettler. An anderer Stelle kam auch Pietro Zazzi zu Fall.
Allesamt verletzten sich sehr schwer. Cyprien Sarrazin erlitt eine Hirnblutung, Pietro Zazzi einen Schien- und Wadenbeinbruch und die Diagnose beim Schweizer Josua Mettler: identische Verletzung an beiden Kniegelenken – jeweils Riss des vorderen Kreuzbandes, Riss des Innenbandes sowie des Innenmeniskus. Am Sonntag folgte dann noch der schlimme Sturz des Schweizers Gino Caviezel.
Die Verletzten der Ski-Saison 2024/25
Wie gefährlich ist die Strecke in Bormio?
Die Stelvio gilt als eine der schwierigsten Strecken im Weltcup. Neben der kraftraubenden Länge von 3,44 Kilometern sind auch die stets wechselnden Sichtbedingungen und Pistenverhältnisse enorm herausfordernd. Die Fahrer sind mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit unterwegs. So liegen diese bei bis zu 140 km/h. Ex-Ski-Star Marco Büchel sagt gegenüber 20 Minuten: "Bormio ist ein Überlebenskampf."
Ist der Skirennsport zu gefährlich geworden?
"Ich sage immer, dass es mittlerweile eine Extremsportart geworden ist", warnt Büchel. Die Quote der Verletzten im Allgemeinen sei definitiv zu hoch. "Das Material überholt den menschlichen Körper. Die Marge, um Fehler zu machen, ist definitiv viel kleiner geworden. Kleine Fehler haben mittlerweile gravierende Auswirkungen. Das war früher nicht so." Und: "Der Skirennsport ist zu aggressiv und gefährlich geworden."
Weiter verrät Büchel: "Ich habe mit Hannes Trinkl gesprochen, der die Abfahrt gesteckt hatte und er hat mir gesagt, dass er sehr schlecht schlafe, weil ihm jeder Verletzte so nahegeht." Büchel spricht von einem "Hochseilakt". "Die Piste präsentiert sich über Weihnachten in einem ganz anderen Licht als an den Olympischen Spielen in einem Jahr. Man ist jetzt in einem schneearmen dunklen Loch."
Der Ski-Weltcup der Herren auf einen Blick
Wie viel Schuld tragen die Fahrer?
Fakt ist: Die Fahrer gehen ans Limit. "98 Prozent reichen nicht", so ÖSV-Star Vincent Kriechmayr. Es ist ein Credo, das auch Fahrer wie Sarrazin vertreten. Büchel meint zu 20 Minuten: "Vor Jahren hat die Vereinigung der Schweizer Sportärzte 99,9 Prozent menschliches Versagen für Stürze festgemacht. Das zitiere ich jetzt einfach mal."
Für das Verletzungsmuster könnten die Fahrer aber nichts dafür. Büchel: "Wenn Sarrazin an einer anderen Stelle gestürzt wäre, hätte es ihn nicht so herauskatapultiert und seine Verletzung wäre weitaus weniger gravierend."
Was macht die Debatte zusätzlich brisant?
Sarrazin nutzte zuletzt eine umstrittene Erfindung: eine Art "Karbonsocke", die er sich um die Beine wickelte. Damit will er mehr Druck auf die Skier ausüben und ein paar Hundertstelsekunden schneller sein. Die Kritik an der Erfindung ist groß.
Der Ex-Ski-Star und jetzige TV-Experte meint: "Jetzt fangen alle an mit der Carbonverlängerung des Skischuhs, was das Ganze noch extremer macht. Das ist überspitzt gesagt, wie wenn man mit 250 km/h im T-Shirt auf einem Motorrad sitzt und jetzt noch sagt, man zieht noch den Helm ab."
Was kann den Skirennsport weniger gefährlich machen?
Hier spricht Büchel vom Airbag (wie der funktioniert, kannst du hier nachlesen). Viele Fahrer selbst haben verstanden, wie gut der ist, andere nicht. Aber sie sind alle mündig und sie sollen selbst entscheiden können, ob sie den anziehen wollen oder nicht, so der Ex-Ski-Star. Der Airbag helfe natürlich nicht bei einem Kreuzbandriss oder Schädel-Hirn-Trauma, aber er helfe, um Verletzungen einzugrenzen.
Dann verrät der 53-Jährige gegenüber 20 Minuten, was ihm sehr wichtig ist: "Mich interessiert, warum jemand stürzt. Ich möchte, dass man da ansetzt. Wie sie nachher fallen und was passiert, ist die Konsequenz vom Warum."
Was ist die Meinung der Ski-Stars?
Die sind sauer. Marco Odermatt bezeichnet die Rennen bereits am Freitag gegenüber Eurosport als "Überlebenskampf". Nach dem Sturz von Caviezel wählt Odermatt nachdenkliche Worte. "Diese Woche ist zu viel passiert, um hier noch mit vollem Risiko runterzufahren", sagte er. Nils Allegre sprach nach dem Sturz seines Teamkollegen Sarrazin von einer "Respektlosigkeit".
Und was sagt eigentlich der Weltverband?
Der FIS-Renndirektor Markus Waldner weist einen Großteil der Kritik der Skistars ab. Er erachtet sie als "nicht ganz gerechtfertigt". Laut ihm würde man immer nur über solche Sachen reden, "wenn es kracht". Er nimmt die Stars in die Pflicht: "Es gibt keinen Spielraum mehr. Wenn man ans Limit geht, passieren solche Dinge wie am Freitag." Und: "Das ist ein Freiluftsport, das ist kein Wunschkonzert, auch wenn es hart klingt."
Auf den Punkt gebracht
- Ex-Ski-Star Marco Büchel warnt vor der zunehmenden Gefährlichkeit des Skirennsports, nachdem mehrere schwere Stürze in Bormio zu schweren Verletzungen führten.
- Büchel kritisiert die extremen Bedingungen und das Material, das den menschlichen Körper überholt, und fordert Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit, während der Weltverband FIS die Kritik der Skistars als übertrieben zurückweist.