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Ship-Tracking widerspricht offizieller Unglücks-Version
Nach dem Bootsunglück mit Hunderten Toten beginnen die Ermittlungen: Das Ship-Tracking widerspricht nun der Darstellung der griechischen Küstenwache.
Nach dem Schiffsunglück vor der Küste von Pylos mit mehreren Hundert ertrunkenen Menschen hat nun die Suche nach den Schuldigen begonnen. Neun mutmaßliche Schleuser, die an Bord des untergegangenen Kutters waren, wurden gerettet und später festgenommen. Sie sollen einer großen Bande angehören. Die Behörden wollen jetzt die Hintermänner des Schleuserrings ermitteln – insbesondere in Ägypten und Italien.
Die schwersten Vorwürfe liegen jedoch gegen die griechische Küstenwache vor. Ein Überblick:
Das sagen die Überlebenden
Von vielen Seiten gab es Vorwürfe, dass die griechische Küstenwache nach Entdeckung des Kutters nicht eingeschritten sei. Einige Medien zitieren Überlebende, die Küstenwache habe den Untergang sogar erst verursacht, indem sie das Boot Richtung Italien habe schleppen wollen.
Das sagt das Ship-Tracking
Am Montag veröffentlichte der britische Sender BBC einen Bericht, der an der Darstellung der griechischen Küstenwache über den Schiffbruch Zweifel aufkommen lässt. Eine Analyse der Bewegungen anderer Schiffe in dem Gebiet deutet darauf hin, dass das völlig überladene Fischerboot mindestens sieben Stunden lang nicht in Bewegung war, bevor es kenterte. Die Daten wurden von der Organisation MarineTraffic, einer Analyseplattform für den Seeverkehr, zusammengestellt.
Das sagt die Küstenwache
Der Kutter befand sich zum Zeitpunkt des Unglücks in der Search-and-Rescue-Zone Griechenlands. Die Küstenwache nahm nach eigenen Angaben mehrmals Kontakt mit dem Boot auf. In der Nacht auf Mittwoch habe man versucht, den Kutter zu betreten, um den Zustand des Schiffes und den der Passagiere zu überprüfen. Die griechische Zeitung "Kathimerini" veröffentlichte am Sonntag ein Interview mit dem Kapitän des Patrouillenbootes. Beamte hätten am Bug des Schiffs ein Seil befestigt, sagte er. Von Bord seien jedoch Rufe wie "no help" und "go Italy" zu hören gewesen – man brauche keine Hilfe, Ziel sei Italien. "Trotz wiederholter Appelle, ob sie Hilfe bräuchten, ignorierten sie uns und machten gegen 23.57 Uhr das Seil los."
Die Patrouille habe das Boot dann im Abstand von 200 Metern begleitet, gab der Kapitän an. Um 1.40 Uhr habe der Kutter erneut angehalten. Dann habe sich das Boot langsam geneigt. Unter den schätzungsweise 500 bis 700 Flüchtlingen aus Syrien, Pakistan, Afghanistan und Ägypten an Bord habe es Aufruhr gegeben, auch Schreie seien zu hören gewesen. Innerhalb einer Minute sei das Boot dann gekentert. Nur 104 Menschen – vorwiegend junge Männer – überlebten das Unglück, Frauen und Kinder kamen ums Leben. Das Mittelmeer ist an dieser Stelle etwa 5.000 Meter tief.
Das sagen die Schleuser
Die Bande soll in den vergangenen Monaten bis zu 18 Fahrten übers Mittelmeer aus Libyen nach Italien organisiert haben. Einer der Männer habe zugegeben, Geld dafür erhalten zu haben, um während der Reise Arbeiten am Schiff vorzunehmen, berichteten griechische Medien. Die anderen Männer sollen bislang alle Vorwürfe abstreiten.