Attentat auf Fico
"Schüsse sind Ergebnis des Hasses, der geschürt wird"
Ein 71-Jähriger hat auf den slowakischen Ministerpräsidenten geschossen. Der Angreifer wurde festgenommen – der Anschlag ist politisch motiviert.
Der slowakische Ministerpräsident Robert Fico ist am Mittwochnachmittag durch Schüsse in den Unterleib verletzt worden. Der 59-Jährige wurde sofort in ein Krankenhaus und schwebte in Lebensgefahr. Mittlerweile soll sein Zustand aber stabil sein. Bei dem Täter handelt es sich offenbar um einen 71-jährigen Künstler.
Wer ist Robert Fico?
Robert Fico ist slowakischer Jurist, Politiker und Vorsitzender der von ihm gegründeten Partei Smer. Seit 2023 ist er erneut Ministerpräsident der Slowakei. Zuvor hatte er das Amt bereits von 2006 bis 2010 und von 2012 bis 2018 inne. Damals musste er nach der Ermordung des Investigativjournalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kušnírová und der Enthüllung von Korruptionsskandalen bis in die höchsten Ebenen von Politik und Justiz zurücktreten.
Wie ist die aktuelle Lage in der Slowakei?
"Die Lage ist sehr angespannt. Die Polarisierung der Gesellschaft ist auf dem Höhepunkt", sagt Radoslav Štefančík gegenüber 20 Minuten. Er ist slowakischer Politikwissenschaftler, Germanist und Dekan der Fakultät für Angewandte Sprachen an der Wirtschaftsuniversität Bratislava. "Ich kann sagen, dass der Angriff auf Premierminister Fico eine Folge dieser Polarisierung ist. Das Problem ist, dass die derzeitige Regierung nichts getan hat, um diese Polarisierung abzumildern. Einige Politiker haben sogar erkannt, dass sie es dank dieser Polarisierung und dank ihres hasserfüllten Vokabulars sogar ins Parlament geschafft haben."
Hat sich ein solches Attentat abgezeichnet?
"Man darf nicht vergessen, dass 2018 ein Journalist und seine Verlobte in der Slowakei ermordet wurden", sagt Štefančík. Vor ein paar Jahren habe außerdem ein Angreifer in einer Schwulenbar zwei Menschen erschossen. "Dabei wollte er nicht zuerst Schwule töten, sondern den damaligen Ministerpräsidenten Eduard Heger ermorden. Da ihm das nicht gelungen ist, hat er sich eine leichtere Beute ausgesucht. Aber ich hätte nie gedacht, dass eines Tages jemand auf den Ministerpräsidenten schießen würde", sagt Štefančík.
Welche Gegner hat Fico? Wer könnte für die Schüsse verantwortlich sein?
Štefančík denkt, dass der Täter ein geistig gestörter Mensch sein wird, der sicherlich nicht mit politischen Strukturen in Verbindung steht. "Robert Ficos politische Gegner kommen aus demokratischen Parteien und sind auf europäischer Ebene respektiert. So lösen die aktuellen Oppositionsparteien ihre Konflikte mit der Koalition nicht."
Welche Auswirkungen könnte dies auf das Land und seine Politik haben?
"Das ist keine gute Nachricht für die Slowakei. Wieder einmal fallen in der Slowakei Schüsse, und das kann für kein Land ein gutes Zeichen sein", sagt Štefančík. "Ich nehme an, dass diese Schüsse das Ergebnis des Hasses sind, der seit mehreren Jahren von Regierungspolitikern verbreitet wird. Sie sollten sich fragen, was sie getan haben, um diese Spannungen zu entschärfen."
Wohin steuert das Land politisch?
Fico hat laut Štefančík immer eine zwiespältige Politik betrieben. "Einerseits hat er versucht, gute Beziehungen zur Europäischen Union zu pflegen, andererseits war er im Inland extrem radikal. Mit seiner radikalen Politik versuchte er, die Wähler der extremistischen Parteien zu gewinnen, was ihm schließlich 2023 gelang." Das Problem sei, dass er seinen Radikalismus nach der Wahl nicht beendet habe. "Er suchte immer noch irgendwo nach einem Feind. Einmal waren es die Roma, dann die Migranten, jetzt griff er unabhängige Journalisten und NGOs an."
Welche Rolle spielt Korruption in der Slowakei?
"Korruption existiert offiziell nach den Wahlen 2023 nicht mehr in der Slowakei, weil niemand da ist, der sie untersucht", sagt Štefančík. Die Koalition habe Einfluss auf die Polizei und auch in der Rechtsprechung gebe es Veränderungen. "Die regierende Koalition greift das öffentliche Fernsehen und Radio an, und die privaten Medien unterliegen der Selbstzensur. Einige NGOs weisen auf Korruption hin, aber der Premierminister will die Aktivitäten der NGOs stark einschränken."