Oberösterreich
"Todesangst" – Kinder ohne Wasser in Auto gepfercht
24 Flüchtlinge, darunter ein Baby, mussten in einem Transporter drei Stunden ohne Wasser und Licht ausharren. Jetzt stand der Schlepper vor Gericht.
Es passierte von 10. auf 11. Oktober 2022. Der Syrer lebt eigentlich in der deutschen Stadt Passau. In dieser Nacht trieb es den jungen Mann aber nach Wien.
Der Grund dafür: Dort sollte er 20 türkische und vier syrische Flüchtlinge aufsammeln und nach Deutschland bringen – darunter auch acht Kinder und ein Baby. Sein Kontaktmann aus Passau versprach ihm 2.500 Euro dafür.
Der Mercedes Sprinter, den sich der Vater eines dreimonatigen Babys dafür mietete, ist für so einen Transport aber nicht gebaut. Drei der Flüchtlinge mussten sich deshalb einen Quadratmeter im Bus teilen. Gegen 20.30 Uhr ging die Fahrt von Wien nach Deutschland los.
Die Flüchtlinge hatten bereits 3,5 Stunden ohne Wasser, Licht oder Lüftung in dem finsteren Transporter hinter sich, als sie plötzlich eine Polizeisirene hörten. Anstatt stehen zu bleiben, beschleunigte der Syrer aber.
Er soll versucht haben, mit bis zu 150 km/h auf der kurvigen Straße vor den Beamten zu flüchten und sei dabei auch auf die Gegenfahrbahn und das Parkett gekommen. Verzweifelt hätten die Flüchtlinge gegen das Fahrerhaus geklopft. "Wir hatten Todesangst, wurden hin- und hergeschleudert. Einige der Menschen erbrachen sich auch", gab einer davon bei der Exekutive an.
Als er über die österreichische Grenze fuhr, blieb der Beschuldigte in Peilstein (Bezirk Rohrbach) endlich stehen. Die Polizei befreit die 24 Migranten und nahm den Syrer fest.
Prozess am Montag in Linz
Am Montag saß der 27-Jährige deswegen in Linz vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft warf ihm gewerbsmäßige Schlepperei und die Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation vor. Erschwerend komme hinzu, dass die Flüchtlinge auf der 3-stündigen Irrfahrt "Qualen" erlitten hätten.
Es ist auch nicht das erste Mal, dass der Syrer der Schlepperei beschuldigt wird. In Deutschland soll es zu einem ähnlichen Fall gekommen sein. Dort laufe gerade ein Verfahren gegen den Mann. In Linz bekannte er sich am Montag der Schlepperei schuldig.
Der 27-Jährige schildert die Sache aber anders: "Ich wollte den Menschen helfen. Außerdem brauchte ich Geld für eine wichtige Operation", sagte er am Montag auf der Anklagebank.
Eine deutsche Zivilstreife verfolgte den Mann zunächst mit Blaulicht und Sirene. "Ich wusste nicht, dass das die Polizei ist. Ich dachte, vielleicht ist das der Geheimdienst und bekam Angst. Deshalb hab ich erst angehalten, als ich die österreichische Polizei sah", sagte der Syrer.
2016 in Deutschland notoperiert
Der 27-Jährige hat in seinem Leben schon Schlimmes erlebt. 2016 kam er nach Deutschland. Der Grund dafür: Eine Bombe habe ihm zuvor beim Einkaufen in einem Lebensmittelgeschäft in seiner Heimat das halbe Gesicht weggerissen. "In Deutschland hat man ihn wieder notdürftig zusammengeflickt", sagte der Anwalt des Mannes.
„"Mein Mandant braucht aber weitere Operationen, um wieder richtig sprechen zu können und um sein Gesicht wieder richtig herzustellen. Diese würden aber 20.000 Euro kosten", sagte der Jurist.“
Kredit habe er keinen mehr bekommen. Der Syrer hat sich bereits 10.000 Euro von der Bank geliehen, um seine Familie nach Deutschland zu holen. Zuletzt arbeitete er bei BMW und verdiente 1.600 Euro, "also nicht genug, um sich die Operationen leisten zu können", erklärte der Anwalt.
Außerdem habe sein Mandant nichts anderes getan, "als die vielen NGOs, die bei den Flüchtlingswellen Menschen von A nach B, auch über Staatsgrenzen, brachten", so der Anwalt vor Gericht. Und auch die Situation der Flüchtlinge in dem Transporter wertete er völlig anders als die Anklage. "Wenn sie in einer überfüllten Straßenbahn stehen, geht es ihnen auch nicht anders."
Die Staatsanwältin nahm dem 27-Jährige die Geschichte nicht ab. "Der Mann hatte in Syrien sicher kein leichtes Leben, aber Schlepperei ist kein Kavaliersdelikt. Er hat auch nicht aus Hilfsbereitschaft gehandelt, es ging ihm nur um sich selber."
Zwei Jahre Haft
Ein Schöffensenat und der Richter entschieden am Montag schließlich über das Schicksal des 27-Jährigen. Sie verurteilten ihn wegen Schlepperei zu zwei Jahren Haft. Ob er die Strafe in Österreich oder Deutschland absitzen muss, ist noch nicht geklärt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Mildernd wertete der Richter, dass der Mann geständig war und bisher noch keine Vorstrafen hat. Erschwerend sei allerdings, dass gegen den Syrer in Deutschland bereits ein ähnliches Verfahren laufe, dass ihm bewusst war, dass er gegen das Gesetz handelt und die Qualen der Flüchtlinge.
Schlepperprozess auch im Burgenland
Einen Schlepperprozess gab es kürzlich auch im Burgenland. Es drehte sich alles um einen Unfall, der sich im September 2022 bei Pamhagen (Bezirk Neusiedl am See) ereignete. Damals war Bundesheersoldaten ein Fahrzeug aufgefallen. Als sie es aufhalten wollten, stieg der 43-Jährige aufs Gas und fuhr in Richtung Apetlon davon.
In einer Linkskurve kam es zu einem Crash, bei dem das Auto gegen einen Baum krachte. Die 15 Männer aus Indien, Pakistan und Afghanistan, die sich im Schlepperfahrzeug befanden wurden, teils schwer verletzt.
Das Schöffengericht den Angeklagten schließlich im Sinne der Klage schuldig. Er wurde zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt, jedoch wurde mildernd berücksichtigt, dass er sich schuldig bekannt und bis zur Schleppung einen ordentlichen Lebenswandel geführt hatte. Der 43-Jährige bat um Ratenzahlung, weil er sich die Verfahrenskosten nicht leisten konnte, nahm die Tat aber an. Das Urteil ist rechtskräftig.