Politik

"Klares Ziel …": Kanzler mit neuer Corona-Ansage

Alexander Schallenberg spricht in "Heute" über Öffnungen im Dezember. "Gehen Sie impfen", bittet er. Und verteidigt seinen Auftritt bei einer TV-Gala.

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Bundeskanzler Alexander Schallenberg (VP) im <em>"Heute"</em>-Interview
Bundeskanzler Alexander Schallenberg (VP) im "Heute"-Interview
Sabine Hertel (Archiv)

"Heute"-Talk am Ende eines bewegten Freitags für Kanzler Alexander Schallenberg. Den ganzen Tag über stand er wegen seines Lockdown-Auftritts bei einer ORF-Gala im Kreuzfeuer der Kritik. Auch die Anzahl der Corona-Erstimpfungen ging diese Woche wieder stark zurück – von durchschnittlichen 19.000 täglichen Erst-Impfungen auf nun 12.000. "Das wird nicht reichen", so der Regierungschef. Das Interview:

"Heute": Herr Bundeskanzler, die Regierung wurde nicht müde zu betonen: Kein Lockdown mehr für Geimpfte. Sie haben das Versprechen am letzten Freitag gebrochen. Wer soll Ihnen jetzt noch glauben, dass alles besser wird, wenn man sich impfen lässt oder den dritten Stich holt?
Alexander Schallenberg: Das Ziel, das wir formuliert haben, ist unverändert: Wir wollen die Ungeimpften zum Impfen bringen, statt die Geimpften in ihren Freiheitsrechten zu beschränken. Dass wir letzten Freitag aufgrund der explodierenden Infektionszahlen zu dem Schluss gekommen sind, dass dieser Schritt notwendig ist, bedaure ich sehr.

Das sind schöne Worte. Der neuerliche Lockdown ist für Geimpfte aber ein schwerer Schlag.
Das Einzige, das uns kurzfristig aus dieser Situation hinausbringt, ist, die Kontakte auf ein Minimum zu beschränken. Und bei den Infektionszahlen gibt es jetzt – zwar noch auf sehr hohem Niveau, aber doch – eine vorsichtige Beruhigung. Langfristig hilft nur die Impfung! Sie ist sicher und schützt.

Schallenberg: "Von Feiern kann keine Rede sein. Beim Hinausgehen hat sich der eine oder andere ein Foto gewünscht."

In genau diesem Lockdown sah man Sie und Ihre Regierungskollegen jetzt fröhlich feiernd bei einer ORF-Gala.
Da muss ich etwas klarstellen: Von Feiern kann keine Rede sein. Ich bin dort über drei Stunden lang für "Licht ins Dunkel" am Telefon gesessen, vom ORF mit strengen Sicherheitsbestimmungen organisiert. Über drei Millionen Euro Spenden wurden an diesem Abend gesammelt – mitten in einer Krisenzeit. Ich habe die Telefonate auch genützt, um mit Menschen zu reden, die Fragen zur Pandemie, zur Impfung, zum Lockdown hatten. Das war auch insofern sehr wertvoll.

Zeichnen Bilder, wo man Sie dicht an dicht bei einer Afterparty sieht, nicht ein verheerendes Bild? Die Österreicher mussten zeitgleich daheim sitzen.
Beim Hinausgehen hat sich der eine oder andere ein Foto gewünscht, dem bin ich nachgekommen. Das war ein beruflicher Termin für einen guten Zweck, nichts anderes.

"Ich sage ganz offen: Das wird nicht ausreichen."

Sehr viele der Impfungen betreffen aktuell Drittstiche. Die Zahl der Erstimpfungen sinkt schon wieder. Wird das ausreichen, um aus dem Lockdown zu kommen?
Ich sage es ganz offen: Es wird nicht ausreichen. Ja, die Impfstraßen sind wieder voll. Aber Sie haben recht: Es sind sehr viele Auffrischungsimpfungen dabei – die sind auch wichtig. Israel beweist, dass das Reinimpfen eine Welle brechen kann. Aber wir brauchen dringend mehr Menschen, die zum ersten Mal zur Impfung gehen. Daher haben wir uns auch dazu entschlossen, eine Impfpflicht ab 1. Februar zu erlassen. Das ist mir nicht leichtgefallen, aber vielleicht habe ich zu lange selbst daran geglaubt, dass man mit Argumenten und Überzeugungsarbeit das Auslangen findet.

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    Freitagnachmittag empfing Alexander Schallenberg das <em>"Heute"</em>-Team in seinem Büro.
    Freitagnachmittag empfing Alexander Schallenberg das "Heute"-Team in seinem Büro.
    Sabine Hertel

    Aber das hilft uns doch in der gegenwärtigen Lage nicht …
    Richtig. Dass wir weiter nur bei knapp über 66 Prozent Impfquote liegen, ist enttäuschend. So werden wir diesen Teufelskreis aus Viruswellen und Lockdown-Diskussionen nie durchbrechen. Dabei wollen wir diesen Spuk doch endlich hinter uns lassen.

    Ich frage Sie ganz direkt: Endet der Lockdown für Geimpfte fix am 13. Dezember?
    Ich bitte darum, diesen Lockdown ernst zu nehmen, die Kontakte auf ein Minimum zu beschränken. Die Infektionszahlen sind weiterhin sehr hoch, steigen aber zumindest nicht mehr weiter. Es gibt derzeit eine Tendenz, die einen gewissen Hoffnungsschimmer erweckt.

    Das ist bekannt. Aber können Sie den geimpften Österreichern und den Geschäftsleuten Öffnungen garantieren?
    Wir evaluieren die Situation nach zehn Tagen. Es gibt das klare politische Ziel, dass wir am 12. Dezember so weit wie möglich aufmachen.

    Am 13. Dezember, oder?
    Nein, die 20 Tage Lockdown enden am 11. Dezember.

    "Gehen Sie impfen, holen Sie sich Ihre Auffrischung, bleiben Sie so gut es geht daheim."

    Was wird dann aufsperren?
    Wir haben uns darauf geeinigt, an diesem Tag so weit es geht zu öffnen. Wir werden das aber nur schaffen, wenn wir alle gemeinsam bis dahin diesen Lockdown ernst nehmen und die Zahlenkurve nach unten bringen. Was ich aber nicht will, ist, dass wir jetzt öffnen und dann um Weihnachten herum wieder eine Diskussion haben. Und die einzige langfristige Exit-Strategie ist das Impfen. Also: Gehen Sie impfen, holen Sie sich Ihre Auffrischung, bleiben Sie so gut es geht daheim.

    Werden Österreicher die Möglichkeit haben, Weihnachtsgeschenke für ihre Liebsten zu kaufen?
    Das ist auf jeden Fall mein Ziel. Ich habe schon vor einigen Wochen gesagt, dass das heuer ein 2G-Weihnachten wird. Wir müssen unser Gesundheitssystem schützen. Das Gesundheits- und Pflegepersonal verdient unseren größten Dank und Respekt. Wir alle möchten ja, dass wir – falls nötig – Zugang zur besten medizinischen Versorgung auf den Intensivstationen haben. Um da hinzukommen, bedarf es einer gemeinsamen Anstrengung, das ist jetzt kurzfristig der Lockdown. Ich hätte gerne einen anderen Weg eingeschlagen. Der Königsweg raus aus der Pandemie ist und bleibt die Impfung.

    Wird uns die strenge 2G-Regel den ganzen Winter über begleiten?
    Die 2G-Regel wird uns noch lange Zeit begleiten. 

    Video: Schallenberg im Word-Rap

    "Ja, es sind Fehler in der Kommunikation geschehen."

    Muss sich die Regierung nicht selbst bei der eigenen Nase nehmen, die Lage im Spätsommer und Herbst nicht erkannt zu haben?
    Die Impfung ist unser Airbag, unser Gurt, unser Helm in dieser Pandemie. Ja, es sind Fehler in der Kommunikation geschehen. Wir haben etwa geglaubt, dass wir ohne Auffrischungsimpfung durchkommen. Wir haben alle sehr viel dazugelernt. Nun sind wir alle gemeinsam dazu aufgerufen, die Impfquote zu erhöhen. Das ist und bleibt unser einziges Ticket raus aus der Krise.

    Ein "Heute"-Leser möchte von Ihnen wissen, ob es nicht viel sicherer wäre, einfach regelmäßig Tests zu verlangen?
    Das funktioniert deswegen nicht, weil das Immunsystem noch immer ungeschützt ist. Man weiß dann zwar, ob man infiziert ist; die Wahrscheinlichkeit, dass man einen schweren Verlauf erleidet oder auf einer Intensivstation landet, ist aber unverändert hoch. Ich möchte, dass die Menschen geschützt sind und nicht an ein Beatmungsgerät angeschlossen werden müssen. Das Testen ist gut aber niemals eine Alternative zum Impfen.

    Sie haben erwähnt, es sei Ihnen nicht leicht gefallen, eine Impfpflicht einzuführen. Stehen Sie trotzdem hinter der Entscheidung, obwohl sie in einem liberalen Rechtsstaat ein immenser Eingriff in die persönliche Freiheit ist?
    Natürlich ist das ein gravierender Eingriff. Aber es gibt in vielen Staaten Impfpflichten, beispielweise die Corona-Impfpflicht für manche Berufsgruppen oder auch bei Hepatitis oder Masern. Dieses Instrument ist also nicht neu und wir müssen nun beginnen, abzuwägen. Die Einschränkung von Mobilität ist auch ein immenser Eingriff.

    Wir sind das erste Land in Europa, das so einen Weg gehen muss. Ein Akt der Verzweiflung?
    Ich hätte zugegebenermaßen gerne einen anderen Weg gewählt und wir alle haben im Sommer noch gedacht, dass wir mit Kampagnen und Überzeugungsarbeit die Impfquote nach oben bringen können. Mit 66 Prozent Durchimpfungsrate werden wir jedoch nicht aus dieser Pandemie hinauskommen, so ehrlich muss man sein. Daher sehe ich derzeit keine andere Alternative. Es ist auch gut, dass hier ein Schulterschluss über die Parteigrenzen hinweg stattgefunden hat.

    Wird die Impfpflicht auch Kinder betreffen?
    Altersgrenzen werden aktuell noch mit Experten besprochen, da möchte ich nicht vorgreifen. Eines ist jedoch ganz klar: Die Impfpflicht wird am 1. Februar 2022 fix kommen.

    Sie haben Geldstrafen für Impfverweigerer angekündigt: Besteht da nicht die Gefahr, dass Menschen sich ein Mal "freikaufen", aber erst recht nicht impfen lassen?
    Mit diesem Thema beschäftigen sich aktuell die Experten und da werden wir ganz sicher entsprechende Regelungen finden.

    Bleiben die Schulen trotz der hohen Inzidenzen bei Kindern weiter geöffnet?
    Egal, welche Maßnahmen man für Schulen setzt – sie werden immer für Diskussionen sorgen. Wir haben uns dazu entschieden, Schulen offen zu halten und Eltern selbst entscheiden zu lassen, was für ihre Kinder am besten ist. Wenn zwei positive Fälle in einer Klasse auftreten, stellt diese Klasse auf Distance Learning um – das ist eine sinnvolle Regel. Sicherheitsmaßnahmen wie Tests und Maskenpflicht sind wichtiger denn je.