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Samsung Digital City – Stadt für Produkte von morgen
Mitten in Südkorea hat Samsung keinen Mega-Bürokomplex, sondern eine ganze Stadt für 37.000 Mitarbeiter errichtet. "Heute" hat sich dort umgesehen.
Wer an einen Arbeitsort mit 37.000 Mitarbeitern denkt, hat wohl einen riesigen Wolkenkratzer mit Etagen voller Arbeitsplätze auf engstem Raum vor seinem oder ihrem geistigen Auge. Umso überraschender ist ein Besuch beim laut "Forbes" besten Arbeitgeber der Welt. Samsung hat für seine Angestellten in der südkoreanischen Stadt Suwon die Digital City errichtet – eine smarte und grüne Stadt, in der Mitarbeiter alles finden sollen, was sie abseits ihrer Tätigkeit benötigen. Einfach hineinspazieren kann man hier freilich nicht, denn die Zugänge sind durch mehrere Sicherheitstore geschützt. "Heute" durfte sich aber hinter den Kontroll-Kulissen ein Bild von der Arbeitswelt der Samsung-Mitarbeiter machen.
Hochhäuser, die gibt es hier auch, und gleich vier an der Zahl. Sie fallen auf, aber drängen sich nicht in den Vordergrund, denn wohin das Auge auch blickt, ist viel Grün und Freizeitfläche zu sehen. Hier kleine Parks und Wiesen, dort Fußballfelder, Basketballplätze und Ruhezonen, außerdem noch weit über 130 kleinere Gebäude wie Büros, Einkaufsläden, Bankfilialen und Kaffeehäuser. Platz ist genug, denn laut Samsung misst das Areal beeindruckende 1,72 Millionen Quadratmeter – und täglich bringen über 500 Busse die Mitarbeiter auf rund 100 Routen an ihren Arbeitsplatz. Der Standort wurde übrigens nicht zufällig gewählt: 1969 wurde Samsung gegründet, am ersten Standort in Suwon wurden Schwarz-Weiß-TVs hergestellt.
"Kreatives Scheitern" für die "Projekte von Morgen"
Heute dagegen ist die Samsung Digital City Heimat vieler Forschungs- und Entwicklungsabteilungen des Technologiekonzerns, der Wandel dazu wurde rund um das Jahr 2000 vollzogen. Seitdem werden dort die "Produkte von morgen" entwickelt, was einerseits den Zugang für Gäste wegen der hochsensiblen Projekte begrenzt, andererseits selbst das Scheitern von Mitarbeitern belohnt. "Kreatives Scheitern" nennt sich das hier, es geht um Ideenfindungen, nicht darum, dass aus jedem Projekt auch der nächste Mega-Seller wird, wird von den Tour-Guides erklärt. Wobei die Digital City fast ausschließlich mit Forschung und Entwicklung beschäftigt ist, die Fertigung passiert an anderen Samsung-Standorten.
Außen sieht man wenig davon: Wer von den Sicherheitsschleusen zu Fuß zu den Büros unterwegs ist, braucht teils mehrere Dutzend Minuten je nach Lage. Dass man dabei trotz 37.000 Mitarbeitern recht wenige Menschen trifft, liegt wohl auch am drückend heißen und feuchten Wetter, immerhin herrscht in Südkorea gerade der von zahlreichen Regenfällen begleitete Hochsommer. Hauptgrund ist aber, dass es ein raffiniertes Tunnelsystem gibt, das die wichtigsten Gebäude der Digital City direkt miteinander verbindet. Das hat drei Vorteile, teils für die Mitarbeiter, teils für das Unternehmen: Während die Angestellten weniger Zeit auf ihren Wegen liegen lassen, können sie noch shoppen und sind vor dem Wetter geschützt.
Ein gigantischer Pool mitten im Bürokomplex
Shoppen? Ja, richtig, denn wie in einer echten Stadt sind nicht nur die Straßen, sondern auch die Tunnel vollgepackt mit allem, was man so brauchen könnte. Etwas zu naschen von einem Laden der Kette Dunkin' Donuts kann man sich ebenso mitnehmen wie den Kontoauszug aus einer der zahlreichen Bankfilialen, Supermärkte bieten alles für den Wocheneinkauf und auch Postämter, weitläufige Parkbereiche und Co. gibt es. Der Grund laut Samsung: Mitarbeiter sollen sich wohlfühlen und alles bekommen, ohne nach der Arbeit noch Extrawege für den Einkauf oder Erledigungen machen zu müssen. Alleine der riesige Park für Pausen misst rund 37.700 Quadratmeter, was wiederum vier Prozent der gigantischen Stadt entspricht.
Kurios mutet es in den Bürokomplexen an, denn hier drängen sich nicht Arbeitsplätze an Arbeitsplätze, sondern hinter jeder Ecke warten Überraschungen, darunter 13 Cafeterien, 15 Kaffeehäuser, aber auch eine riesige Kletterwand am Gang der Anlage oder ein Schwimmbecken mit olympischen Maßen direkt in der "Lobby" des Gebäudes. Wie auch das Fitnesscenter, das täglich von rund 1.600 Mitarbeitern genutzt wird, sollen alle Anlagen den Mitarbeitern rund um die Uhr zur Verfügung stehen. Dazu kommen noch Squash-Plätze, Sauna und drei Kinderbetreuungsstätten, in denen rund 900 Kinder der Mitarbeiter täglich betreut werden. Die Cafeterien wiederum versorgen das Team mit rund 50.000 Mahlzeiten jeden Tag.
Ein eigenes Ärzte-Team für die Samsung-Mitarbeiter
Wer will, kann sich auch in Clubs und Vereine eintragen lassen, vom Fußballteam beim Kicken gegen eine andere Abteilung über eine schnelle Runde Baseball mit bisher unbekannten Kollegen oder einer Runde Fußball-Tennis ist auf den Dutzenden Plätzen alles möglich. Solange es die Zeit zulässt zumindest, denn für die Aktivitäten klinkt man sich aus der Arbeitszeit aus, sie wird nicht auf die Tätigkeit aufgerechnet. Immerhin ist für die Mitarbeiter aber alles kostenlos, von der Nutzung der Freizeitareale bis hin zu einer Mahlzeit. Apropos Verpflegung: Verschiedene Menüs stehen zur Wahl, wem es besser gefällt, kann auch Ramen auf eigenen Kochplätzen selbst zubereiten oder sich kulinarisch und gesundheitlich beraten lassen.
Zentraler Anlaufpunkt der Digital City ist eine Art Rathaus, in der nicht nur das Management, sondern auch Ärzte und Mediziner jeglicher Art untergebracht sind. Verletzungen werden dort ebenso behandelt wie Massagen und Akupunktur-Behandlungen angeboten oder psychologische Beratungen durchgeführt. Damit die Kreativität gefördert wird, können Mitarbeiter in Dutzenden Kursen Fähigkeiten wie Malen, Tanzen oder Musizieren lernen. Positiver und gewollter Nebeneffekt aller Sport-, Kreativität- und Freizeitangebote: Mitarbeiter sollen miteinander in Kontakt kommen, statt sich fremd zu bleiben. "Wir sind eine Familie hier", sagt ein Mitarbeiter – und nicht wenige sollen so ihren Partner kennengelernt haben.
Wo die kreativen Ideen geboren und verkauft werden
C-Lab nennt sich eines der Herzstücke der Arbeitswelt hier: Es handelt sich um eine Abteilung, in der Samsung-Mitarbeiter ihre Ideen entwickeln, testen und im Erfolgsfall auch für den Massenmarkt produzieren sollen. Scheitern, so sagt man uns hier, ist keine Schande, sondern gewollt, denn nur wer ausprobiert, wird irgendwann Erfolg haben. Fast 2.000 Mitarbeiter haben hier bis dato fast 400 Projekte bearbeitet. Am Anfang steht die Bewerbung beim C-Lab mit einer eigenen Idee, sei es Software, Hardware, ein Spielzeug oder eine bahnbrechende Erfindung. Diese Ideen werden dann innerhalb von je sechs Monaten von einer Jury begutachtet und bewertet. Fällt dies positiv aus, gibt es ein Jahr lang freie Hand für die Umsetzung.
Während man das Ziel seines oder ihres eigenen Produkts verfolgt, wird man vom Samsung von der Arbeit, für die man ursprünglich angestellt wurde, freigestellt. Scheitert das Projekt, geht es zurück an den Anfang und man kann sich mit neuen Ideen bewerben und verrichtet bis dahin weiter die ursprüngliche Arbeit. Verspricht das Projekt hingegen Erfolg, gibt es verschiedene Wege, wie weiter verfahren wird. Entweder es werden weitere Mitarbeiter für die Entwicklung hinzugezogen oder aber im allerbesten Fall wird gleich eine ganze Abteilung mit der Betreuung des Projekts beauftragt. Alternativ kann aus besonders spannenden Projekten aber auch ein ganz eigenes Unternehmen unter dem Samsung-Dach entstehen.
Aus kleinen Ideen sollen ganz große Innovationen werden
Fälle, in denen Letzteres passierte, gebe es viele, sagen die Mitarbeiter im C-Lab. Als Beispiel wird etwa das Start-up WELT genannt, das als ursprüngliche Idee einen smarten Gürtel hatte, der die Gesundheit des Trägers oder der Trägerin tracken soll. Eine Art Smartband für die Hüfte eben, das vor schlechter Sitzhaltung ebenso warnt wie vor übermäßigem Esskonsum. Daraus entwickelte sich im Laufe der Zeit ein Konzern, der die Gesundheit der Weltbevölkerung durch die Erfassung und Analyse aller möglicher Biomarker verbessern will. Etwas abseits von den "Projekten für morgen" steht wiederum ein vollausgestattes Smart Home, in dem Samsung alles für den Alltag auffährt, was das Unternehmen bereits am Markt hat.
Was an Musterhäuser von heimischen Anbietern erinnert, ist in der Digital City vollgestopft damit, was man von Samsung bereits jetzt kaufen kann. Gaming-Zimmer mit Ultrabreitbild-Monitoren, Partyraum mit gekoppelten Sound- und Licht-Anlagen, Küche mit Kamera-ausgestatteten Kühlschränken, vernetzten Wasserhähnen und Displays mit Schritt-für-Schritt-Kochanleitungen sowie Schlafzimmer mit sprachgesteuerten Jalousien, Beamern, Leinwänden und sogar Betten lasse n kaum Technik-Wünsche übrig. Frisst viel Strom? Wahrscheinlich. Laut Samsung decken aber Solaranlagen rund um das Haus nicht nur vollständig den Strombedarf des futuristischen Objekts, sondern auch gleich eines kleinen Nebengebäudes.
Ein Museum voller Technik von heute und gestern
Für Gäste ein fixer Anlaufpunkt ist schließlich das Mega-Museum namens Samsung Innovation Museum, kurz SIM. Es wurde 2014 eröffnet und erstreckt sich über fast 11.000 Quadratmeter. Touren werden hier in Koreanisch, Englisch, Chinesisch, Japanisch und Spanisch angeboten. Auf vier Etagen wartet ein Streifzug durch die Geschichte der Technologie, mit unterschiedlichen Ausstellungen, von Smartphones bis TVs, von Halbleitern bis zu alten Werbeschildern. Vieles im SIM wird audiovisuell wiedergegeben und eingeblendet, stolz zeigt man sich aber auch auf Dutzende originale Exponate und vor allem die hauseigenen "World's First"-Geräte, von Samsung entwickelte Weltneuheiten, werden in den Vordergrund gerückt.
Dazu zählen Erfindungen wie das erste Uhren-Telefon SPH-WP10 (1999) oder das SCH-C210, das 2007 den Weltrekord für das dünnste Telefon hielt. Dort wartet man auch mit der Geschichte Samsungs auf. 1969 gegründet, ist man mittlerweile in 74 Ländern weltweit aktiv und betreibt 15 Regionalbüros, 108 Vertriebsbüros, 31 Produktionsstandorte, 7 Designzentren und 41 Forschungs- und Entwicklungszentren. Beim Abschied kommt noch das Thema Nachhaltigkeit zur Sprache. Mit dem "Blue Wave Park" verfügt die Digital City etwa über eine Wasseraufbereitungsanlage für 11.000 Tonnen täglich und am "Nanun Kiosk" spenden Mitarbeiter automatisch Geld an Hilfsorganisationen, wenn sie die ID-Karten an den Schalter halten.
Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Diese Reise nach Südkorea erfolgte auf Einladung von Samsung, die Reisekosten wurden vom Unternehmen übernommen.