Wien
"Sag mir, wo du wohnst, ich sage dir, wann du stirbst"
Die zunehmende Hitze durch den Klimawandel setzt auch den Wienern massiv zu. Die gesundheitliche Belastung ist in ärmeren Grätzeln deutlich höher.
Die Zeichen stehen weiter volle Fahrt auf Klimaerwärmung. Das bekommen auch die Bewohner der Bundeshauptstadt am eigenen Leib zu spüren. Die Zahl der Sommer- und Hitzetage mit Tageshöchstwerten über 25 °C bzw. 30 °C hat in den letzten hundert Jahren vervielfacht – siehe Grafik unten.
Gleichzeitig haben auch die Zeiten, in denen nicht einmal mehr eine nächtliche Abkühlung möglich ist, zugenommen. So war es in Wien bis vor kurzem noch eine Seltenheit, dass die Temperatur in der Nacht nicht unter die 20-Grad-Marke zurückfällt. Ein bis zwei dieser sogenannten Tropennächte waren einmal pro Jahr üblich. Doch davon sind wir mittlerweile weit entfernt.
Nach 1991 musste man aber bereits mit durchschnittlich sechs tropisch warmen Nächten jährlich zurechtkommen, nach einem fortlaufenden Anstieg waren es vergangenes Jahr schon 25. 2022 wurde sogar erstmals eine Tropennacht auch im Oktober verzeichnet.
Diese immer häufiger Belastung durch Hitze schlägt auch auf die Gesundheit. "Tropennächte sind wegen ihrer Auswirkungen auf den menschlichen Organismus kritisch zu betrachten", schreibt die Stadt Wien selbst. Besonders anfällig dafür sind ältere Menschen, Kinder, Patientinnen und Patienten mit Herz-Kreislauf- und psychischen Erkrankungen sowie Personen mit eingeschränkter Mobilität.
Hunderte Tote jedes Jahr
Zur Erfassung der Auswirkungen führt die AGES in Zusammenarbeit mit der GSA (früher ZAMG) seit einigen Jahren ein Hitze-Mortalitätsmonitoring durch.
"In vier der letzten zehn Jahre starben in Österreich mehr Menschen an den Folgen von Hitze als im Straßenverkehr", sagte GSA-Klimaforscher Marc Olefs im Juli 2022 dazu. Und mit jedem Zehntelgrad an Erderwärmung werden es mehr werden.
Der Wohnort bestimmt im Wesentlichen, wie viel Hitze wir zwangsläufig abbekommen. Sogar zwischen den Wiener Grätzln gibt es enorme Unterschiede, wie die Stadtklimaanalyse Wien 2020 zeigte:
Neben der Lage im Stadtgebiet sind aber noch andere Faktoren für die gesundheitlichen Auswirkungen entscheidend. "Es besteht ein Zusammenhang zwischen der Klimakrise, Einkommen, der Gesundheit von Menschen und der Teuerung", wird Armutsexperte Martin Schenk von der Diakonie Österreich am Freitag in der "Kronen Zeitung" zitiert.
So seien Haushalte in Vierteln mit geringerem Einkommen stärker betroffen, unter anderem weil sie weniger Möglichkeiten haben, sich vor der Hitze zu schützen. Außerdem seien ärmere Menschen häufiger in körperlich anstrengenden und exponierteren Berufen wie Bauarbeiter beschäftigt. Dazu komme noch, dass sozial benachteiligte Gruppen meist auch in Gebäuden mit schlechter Bausubstanz leben.
Die Folgen sind messbar: So weicht die durchschnittliche Lebenserwartung in den einzelnen Bezirken schon jetzt teilweise beträchtlich voneinander. Armutsexperte Schenk spitzt es auf einen Satz zu: "Sag mir, wo du wohnst, und ich sage dir, wann du stirbst."
Mindestpensionistin Christine Sallinger von der Plattform Sichtbar Werden kennt das Problem. Im Rahmen einer Pressekonferenz der Armutskonferenz schilderte sie, dass Armutsbetroffene durch den Klimawandel immer öfter an ihre Grenzen gebracht würden. Sie hätten einfach weniger Chancen, Zeit in kühleren Bereichen zu verbringen.
"Besonders städtische Hitzespots sollten bekämpft werden“, so die Experten, die zur Entschärfung Energiegrundsicherung einführen wollen: "Damit wird eine bestimmte Versorgung an Energie als Grundanspruch jedem Menschen zugesichert".