Ukraine

Am 70. Geburtstag wird Putin vollkommen bloßgestellt

Im Ukraine-Krieg läufts nicht, im Land herrscht massive Rezession. Zu seinem 70. Geburtstag hat Wladimir Putin vollkommen die Kontrolle verloren.

Am 7. Oktober feiert der russische Präsident Wladimir Putin seinen 70. Geburtstag in seiner Heimatstadt St. Petersburg.
Am 7. Oktober feiert der russische Präsident Wladimir Putin seinen 70. Geburtstag in seiner Heimatstadt St. Petersburg.
REUTERS

70 Jahre alt, und doch dürfte für den russischen Präsidenten Wladimir Putin an seinem runden Geburtstag keine echte Freude aufkommen. Die "Spezialmission" in der Ukraine läuft nicht nach Plan, stattdessen wird seine Armee vor aller Welt bloßgestellt.

Kommt die ausgerufene und chaotisch verlaufende Teilmobilisierung hinzu, die Putins eigenen Gesellschaftsvertrag nichtig macht: Ihr mukt nicht gegen mich und mein Regime auf, dafür lassen wir euch in Ruhe. Der Lack der Anbetung seines Volkes, die sich Putin seit nunmehr 22 Jahren gewohnt ist, blättert.

Selbst unter Eliten regt sich Widerstand

Und selbst unter den Eliten stimmt vieles nicht mehr. Angesichts der militärischen Fehlschläge im Osten und Süden der Ukraine geben sich drei Fraktionen mittlerweile ganz öffentlich Saures – für die Bevölkerung ein Indiz, dass Putin seine Leute nicht mehr im Griff hat.

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    Massenflucht junger Russen vor Putins Einberufung: Satellitenbilder zeigen...
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    2022 Maxar Technologies / Handout via REUTERS

    Putin als Getriebener

    Der Politologe Abbas Galljamow, der früher selbst im Kreml arbeitete, spricht bereits von einem «Kontrollverlust». Putin sei nicht mehr Herr der Lage, sondern ein Getriebener der Situation in der Ukraine. Im Volk habe er seinen Status als Garant für Stabilität verloren. "Putin ist heute der größte destabilisierende Faktor, ein Destabilisator", meint Galljamow. Russlands Elite verliere jetzt ihren Halt, weil sie sich 22 Jahre auf Putin gestützt habe.

    Bitter: Putin, der Russland nach den chaotischen 1990er Jahren voller Armut wieder auf die Beine brachte, muss nun zusehen, wie vieles in sich zusammenfällt: Die stolze Rohstoffmacht steckt wegen des Drucks der westlichen Sanktionen in einer massiven Rezession. Tausende Firmen haben das Land verlassen, Zehntausende haben keine Arbeit mehr. Die Rede ist von einer beispiellosen "Deindustrialisierung".

    Feier im St. Petersburger Palast mit den Autokraten

    Putin mache Russland zu einem Dritte-Welt-Land, sagt Politologe Galljamow. Mit Blick auf die westlichen Sanktionen sagt er aber auch, dass Putins Ressourcen weiterhin gewaltig seien – auch wegen der Ergebenheit des Sicherheitsapparats.

    Zudem vertrauen viele Russen, vor allem die über 60-Jährigen, ihm weiter, weil sie keinen anderen starken Führer sehen. So wundert es nicht, dass Putin über seinen Sprecher verlauten ließ, dass der Präsident mit dem Faible für gutes Essen seinen 70. Geburtstag "auch arbeitend" verbringen werde – allerdings in seiner Heimatstadt St. Petersburg.

    Viel Krach und Kadyrows Beförderung

    Es gibt Krach unter drei radikal-nationalistischen Fraktionen Russlands: Ein Lager besteht aus einflussreichen Militärbloggern und Kriegskorrespondenten, den Propagandisten, die Putins Visionen und Versionen des Ukrainekrieges der Bevölkerung verklickern.
    Ein weiteres Lager besteht aus der Veteranengemeinschaft, die bei der Organisation und Unterstützung von Kampagnen zur Truppengenerierung hilft und Putin schon früh eine Mobilisierung ans Herz legte. Und schliesslich die Silowiki, Teile der Militärelite, die selbst Kampfkraft zur Verfügung stellen und die ein härteres Durchgreifen in der Ukraine fordern, darunter den Einsatz von Atomwaffen "geringer Schlagkraft".
    Schuldzuweisungen in alle Richtungen
    Angesichts der Niederlagen in der Ukraine beschuldigen "Silowiki" wie der tschetschenischen Machthaber Ramsan Kadyrow und Jewgeni Prigoschin, Chef der Wagner-Gruppe, die Militärführung um General Alexander Lapin wie auch das militärische Establishment um Verteidigungsminister Sergej Schoigu. Das hat die Propagandisten auf den Plan gerufen, die sich derlei Kritik am Establishment verbieten. Die Veteranen kritisieren dagegen Putin, der von Anfang an nicht auf sie gehört habe.
    Bis gestern, Donnerstag, hat Putin sich bei diesen Streitereien nicht erkennbar eingemischt, sondern die Lager zu beschwichtigen versucht. Doch jetzt hat er Kadyrow zum Generaloberst befördert.
    Putins Entscheidung fällt auf Kadyrow
    Das sei "besonders bemerkenswert", schreibt der US-Thinktank Institute for the Study of War (ISW). Möglicherweise wolle Putin sich so die weitere Unterstützung der tschetschenischen Streitkräfte garantieren lassen, zumal er auf die gut ausgebildeten Kämpfer aus der tschetschenischen Teilrepublik angewiesen ist. Die "Kadyrowzy", die in der Ukraine mit den regulären russischen Truppen kämpfen, gelten als besonders brutal.
    Ein Generaloberst ist in der russischen Militärhierarchie nach dem Armeegeneral und dem Marschall der dritthöchste Befehlsrang.
    Lässt er Schoigu fallen?
    Für das Militärestablishment dürfte die Beförderung eine Beleidigung sein, so die Analysten vom ISW. Mit diesem Schritt habe Putin sich auf die Seite der Silowiki geschlagen.
    Auch sei zu beobachten, dass sich Putin rhetorisch vom russischen Verteidigungsministerium und Sergej Schoigu distanziere: "Kadyrows neuer Rang könnte ein Zeichen dafür sein, dass Putin bereit ist, den radikaleren und lautstarken Forderungen der Silowiki-Basis auf Kosten des konventionellen militärischen Establishments nachzugeben."

    Dort wird er im prunkvollen Konstantinpalast Staatsgäste der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) empfangen – etwa die Staatschefs der autoritär regierten zentralasiatischen Staaten Kasachstan, Usbekistan, Tadschikistan und Belarus sowie Armenien und Aserbaidschan. Putin dürfte so demonstrieren wollen, dass er trotz seines Angriffskrieges gegen die Ukraine international nicht isoliert ist.

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      Sabine Hertel
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