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Rhodos-Video ist echt, aber die Brand-Lüge nicht
Auf Social Media kursiert ein Video, das angeblich beweist, dass "Medien" die Feuer auf Rhodos aufbauschen. Das Video ist echt, doch beweist nichts.
Das Video von einem Überflug über die griechische Insel Rhodos geht viral: Es wird unter anderem auf TikTok (siehe Video oben), Twitter und auch Telegram geteilt. Auch Weltwoche.ch hat es thematisiert. Darin zu sehen: der Südosten von Rhodos und – so scheint es zumindest auf den ersten Blick – Rauchschwaden, die von einem einzelnen Feuer zu stammen scheinen. Aufgenommen wurde es laut dem Magazin und verschiedenen Social-Media-Posts am 25. Juli 2023. Am Ende des 24-sekündigen Clips hört man eine männliche Stimme behaupten: "Aber laut den Medien brennt ganz Rhodos. Wahnsinn, der Hu*** Sche***, den die erzählen."
Der Pilot, so behauptet der Autor in einem auf Twitter verbreiteten Clip, zeige sich "fassungslos über die unglaubliche Dramatisierung, die Zuspitzung, über die Verdrehung, die Fake News, die unsere Leitmedien zu diesen Waldbränden verbreiten". Doch auch wenn das Video echt zu sein scheint, die darin aufgestellte und von Redakteur Roger Köppel geteilte Behauptung ist es nicht. Das ist über das Video bekannt.
Von wem stammt es?
Das Video taucht ab dem 26. Juli 2023 in den sozialen Medien auf. Die genaue Quelle ist unklar. Laut Köppel stammt der Clip von einem Schweizer Piloten, "der uns das zur Verfügung gestellt hat". Überprüfen lässt sich das nicht. Ein Name – oder eine Fluggesellschaft – wird nicht genannt. Unklar ist auch, ob die "Weltwoche" den Urheber des Videos wirklich kennt. Auskunft wollte das Magazin auf Anfrage von "20 Minuten" nicht geben. "Wie Sie sicher wissen, genießen unsere Quellen – wie auch Ihre – Quellenschutz. Ich darf selbstverständlich davon nicht abweichen", schreibt "Weltwoche"-Redakteur Christoph Mörgeli.
Sicher ist dagegen, dass es von einem Cockpit aus aufgenommen wurde. Höchstwahrscheinlich von einer Maschine der Airbus-A320-Familie, die typischerweise für Passagierflüge genutzt wird. Dafür spricht der Abgleich der Spiegelungen in der Scheibe im Video mit Aufnahmen aus dem Inneren eines A320er-Cockpits:
Das Video zeigt, dass das Flugzeug die griechische Insel aus nordwestlicher Richtung kommend in südöstliche Richtung überfliegt. Gefilmt wurde der Clip also von der Person, die im Cockpit auf dem Platz vorne rechts sitzt. Die Flughöhe wird von der "Weltwoche" mit "10.000 Metern über Meer" beschrieben, was sich mit dem Ausblick aus dem Cockpit deckt. Das deutet auf einen Flug hin, der Rhodos überflog, nicht aber dort landete oder startete.
Anfragen bei Condor, Easyjet, Swiss und Edelweiss, die am Dienstag die Insel Rhodos überflogen, ließen den Piloten nicht ermitteln. Es ist auch nicht gesagt, dass es eine Schweizer Airline war. "Ein Schweizer Linienpilot muss ja nicht zwingend bei einer Schweizer Fluggesellschaft arbeiten. Der kann auch bei einer ausländischen Gesellschaft fliegen. Da gibt es viele davon", schreibt Andreas Meier, Mediensprecher bei Edelweiss.
Unklar ist auch, ob die Schweizerdeutsch sprechende Stimme wirklich einem Mann im Cockpit gehört. Während die anderen Hintergrundgeräusche im Video nach Flugzeugdurchsage klingen, könnte die des vermeintlichen Piloten oder Co-Piloten auch nachträglich dem Video hinzugefügt worden sein.
Wann wurde das Video aufgenommen?
Da der Urheber des Videos unbekannt ist, lässt sich das nicht mit 100-prozentiger Sicherheit sagen. Es ist aber möglich, dass es tatsächlich vom 25. Juli 2023 stammt. An diesem Tag wurde gegen zehn Uhr (Ortszeit) am Morgen nahe der Ortschaft Vati im Südosten ein Feuer gemeldet, wie Medienberichte aus Griechenland zeigen (zum Beispiel hier und hier). Auch der Abgleich mit den Waldbrand-Übersichten von Copernicus, Nasa Global Fire Map und Globalfirewatch.org weist dort für den 25. Juli Brände aus.
Die örtliche Feuerwehr meldete am Nachmittag des 25. Juli 2023 ein starkes Wiederaufflammen (der Brände, Anm. d. Redaktion) in der Gegend von Vati in den Morgenstunden. Das Ausmaß sei so groß, dass die "Evakuierung der Bewohner nach Lindos" angeordnet worden sei. 266 Feuerwehrleute und 55 Fahrzeuge seien im Einsatz, ebenso eine große Zahl von Freiwilligen und Kräfte der Zivilschutzbehörden sowie neun Flugzeuge und vier Hubschrauber. Das heißt: Es handelte sich bei dem Feuer um eine ernst zu nehmende Situation. Laut griechischen Medien dehnte sich das Feuer im Laufe des Tages in mehrere Richtungen aus: in Richtung der Orte Asklipeio, Mesanagros, Lachania und Gennadi. Entsprechend dürfte das Video – sollte es vom 25. Juli stammen – am Morgen oder frühen Vormittag aufgenommen worden sein.
Warum sind keine anderen Feuer zu sehen?
Das auf Social Media, Telegram und der "Weltwoche" verbreitete Video zeigt eine 24-sekündige Momentaufnahme und einen Ausschnitt der Insel. Das heißt nicht, dass es keine anderen Feuer und Brandherde auf Rhodos gegeben hat. Schaut man sich die Satellitenbilder von Copernicus, der Nasa Global Fire Map und Globalfirewatch an den Tagen vor und nach dem 25. Juli 2023 an, sieht man dort durchaus weitere ausgewiesen.
Hinzu kommt, dass die einzelnen Brände auf der Ferieninsel nicht durchgehend tobten. Denn auch wenn es den Einsatzkräften gelingt, einen Brandherd zu löschen, heißt das nicht, dass er nicht wieder entflammen kann. So geschah es im Südosten von Rhodos, wo die Situation als besonders dramatisch beschrieben wurde: "Dort wehen starke Winde und fachen immer wieder die Flammen an. Sechs Dörfer nördlich und westlich der antiken Stätte von Lindos sind bedroht", schrieb etwa Tagesschau.de am 25. Juli.
Wie sieht es mit dem Vorwurf aus, die Medien hätten Fake News verbreitet?
Diese Behauptung, die Medien hätten verbreitet, dass "ganz Rhodos" brennen würde, ist falsch. Richtig ist dagegen, dass in vielen Medienberichten zwischen verschiedenen Brandherden und Feuern differenziert wurde. Auch war von "Waldbränden" und "Waldbrandgebieten" die Rede, was klar auf mehrere betroffene Stellen hinweist.
Richtig ist, dass die Situation auf Rhodos weit schwerwiegender war, als das Video aus dem Cockpit suggeriert: So mussten im Laufe der Tage mehrere 10.000 Menschen evakuiert werden, die Behörden riefen den Notstand aus.
Bereits am 25. Juli schätzten Fachleute, die Feuer hätten etwa 150 Quadratkilometer Wald und landwirtschaftlich genutzte Fläche zerstört. Das ist eine Fläche dreimal so groß wie die Stadt Bern und rund ein Zehntel der Fläche von Rhodos. Die griechische Insel ist rund 1.400 Quadratkilometer groß.
Fazit
Das Video von einer von Rhodos aufsteigenden Rauchsäule soll von einem Piloten stammen und am 25. Juli 2023 aufgenommen worden sein. Beides ist plausibel: Das Video wurde von einem Cockpit aus aufgenommen und am besagten Tag ist in der Gegend, von wo der Rauch aufsteigt, ein Waldbrand wieder aufgeflammt.
Nicht korrekt sind dagegen die im Zusammenhang mit dem Video aufgestellten Aussagen, es habe nur dieses eine lokal begrenzte Feuer gegeben und die Medien hätten behauptet, dass "ganz Rhodos" brennen würde. Das zeigen einerseits Satellitenbilder und -daten sowie der Blick auf die verschiedenen Medienberichte. Wie "20 Minuten" haben viele Medien darauf hingewiesen, dass es mehrere Brandherde gab und dass einige Teile der Insel nicht von den Feuern betroffen waren und Feriengäste dort ihre Ferien genießen konnten. Außerdem ist belegt, dass die griechischen Behörden den Notstand ausgerufen haben und Zehntausende Personen evakuiert werden mussten. Schätzungen zufolge waren allein bis zum 25. Juli – also dem vermeintlichen Aufnahmetag des Videos – rund 150 Quadratkilometer zerstört worden.