Wien-Breitenlee
Renaturierung: Alter Bahnhof wird zum Naturschutzareal
Der alte Verschubbahnhof in der Wiener Donaustadt wird entsiegelt. Für die Stadt ist es das bisher größte Renaturierungsprojekt.
Die aktuelle Hochwassersituation in vielen Teilen Europas zeigt deutlich die Bedeutung des EU-Renaturierungsgesetzes. Unabhängig vom politischen Hick-Hack rund um das für den Naturschutz so wichtige EU-Gesetz, das am 17. Juni im EU-Rat entschieden werden soll, wurde am Donnerstag das in Wien bisher größte Projekt in Sachen Wiederherstellung von Naturräumen auf Schiene gebracht.
Und das im wahrsten Sinn des Wortes: Der alte Verschiebebahnhof Breitenlee in der Donaustadt soll zu einem 90 Hektar umfassenden Naturschutz-Areal werden. Das entspricht in etwa der Größe des 8. Wiener Gemeindebezirks (Josefstadt) bzw. die doppelte Fläche der Steinhofgründe im 16. Bezirk, wie bei einem Pressegespräch vor Ort in Wien-Breitenlee betont wurde.
90 Hektar Naturschutz-Areal
Die Weichen für die Renaturierung des einstigen Betriebsgeländes wurden von Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und ÖBB-Infrastrukturvorständin Silvia Angelo gestellt. Sie haben einen "Letter of Intent" für die Einrichtung des "Naturschutz-Areals Breitenlee" unterzeichnet, dessen Inhalt am Donnerstag präsentiert wurde. Eine Verbauung der großen Fläche wird damit eine Absage erteilt, fortgeführt wird vielmehr eine Entwicklung, die vor Jahrzehnten begonnen hat.
Für Bürgermeister Michael Ludwig ist das Projekt ein Vorbild für das Zusammenwirken von Renaturierung, Artenvielfalt und Klimaschutz. Wien gehe mit dem Naturschutz-Areal Breitenlee künftigen Entscheidungen über eine EU-weite Renaturierungsverordnung voran. "Wir setzen schon heute Strategien zum Schutz der Biodiversität um und zeigen, wie auch in einer dynamisch wachsenden Stadt wie Wien Renaturierung in großem Stil möglich ist", sagte Ludwig.
Das Naturschutz-Areal Breitenlee ist für Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky "ein Leitprojekt für unsere Vision von Wien als Umweltmusterstadt".
„Seltene Pflanzen und Tiere sind gerade in der Großstadt unermesslich wertvoll.“
ÖBB-Vorständin Angelo betonte, dass es für die ÖBB wichtig sei, für nicht betriebsnotwendige Flächen eine passende Nachnutzung zu finden. "In Breitenlee hätte vor vielen Jahren ein großer Verschiebebahnhof entstehen sollen. Die Pläne wurden aus verschiedenen Gründen jedoch nie zur Gänze verwirklicht. So konnte sich im Laufe der Jahre ein schützenswertes Stück Natur entwickeln." Dieses sei nun auch künftig gesichert.
Ehemaliger Bahnhof wird "Natura 2000"-Gebiet
Der Bahnhof im Nordosten der Stadt ist nach 1945 nie in seiner ursprünglichen Größe verwendet worden. Nur ein kleiner Teil wurde tatsächlich genutzt. Dadurch konnte sich laut Stadt auf dem Areal im Nordosten Wiens ein vielfältiger Biotopkomplex aus Trockenrasen sowie naturnahen Wäldern und Teichen ausbilden. Das Gebiet verfügt auch über eine biologische Brückenfunktion zwischen dem Schutzgebiet Bisamberg und der Lobau bzw. dem Nationalpark Donau-Auen, wurde betont.
Für zahlreiche seltene und streng geschützte Arten ist das Gelände Rückzugsraum. Genannt wurden etwa Neuntöter, Wiedehopf, die Zaunechse oder mehr als 140 Wildbienenarten. Aus diesem bereits verwilderten Gebiet wird sich die ÖBB weitgehend zurückziehen, nur eine kleine verkehrstechnisch notwendige Fläche will man weiter betreiben. Der Rest wird entsiegelt, die Stadt wird das Areal zu einem "Natura 2000"-Gebiet entwickeln.
Zur Finanzierung des Projekts wird sich Wien laut eigenen Angaben um Förderungen aus dem Biodiversitätsfonds des Bundes für den Ankauf des Areals sowie um EU-Mittel für die Renaturierungsmaßnahmen bemühen.
Die Stadtrand-Wildnis soll auch künftig eher den Tieren und Pflanzen gehören, der Zutritt soll allerdings auch für Besucher möglich sein. Es wird mehrere Einstiegsstellen geben, versprochen wurde eine "behutsame" Wegführung durch das Gebiet sowie Beobachtungsplattformen.