Harte Ski-Kritik
Reichelt gibt "Hirscher-Guru" Mitschuld an ÖSV-Krise
Kitz-Held und Weltmeister Hannes Reichelt stellt vor den Hahnenkamm-Rennen eine These für die ÖSV-Krise auf: Ein Ex-Sportdirektor kommt nicht gut weg.
Die ÖSV-Herren sind seit 26 Rennen sieglos – die längste Serie seit 30 Jahren. Die stolze Skination steckt vor den Highlights in Kitzbühel und der Heim-WM in Saalbach in einer tiefen Krise.
Der ehemalige Spitzenabfahrer Hannes Reichelt legt vor dem Hahnenkamm-Wochenende den Finger in die Wunde. Die ÖSV-Ikone prangert im "Kurier" an: "Zu Zeiten von Sportdirektor Anton Giger hat es bei uns kein Technik-Leitbild gegeben. Das ist leider verabsäumt worden und ein Punkt, der falsch gelaufen ist. Es braucht ein Technik-Leitbild, damit der Nachwuchstrainer im Skiklub die gleiche Sprache spricht wie der Trainer oben im Weltcup."
Die dominanten Schweizer und Italiener und andere Nationen würden eine andere Technik fahren, "sind uns leider voraus". Woran man das merke? "Es ist eine Technik, die bei bestimmten Kurssetzungen und Schwüngen funktioniert, aber nicht überall. Der beste Läufer ist der, der verschiedene Schwünge beherrscht und für alles gewappnet ist. Das machen Schweizer und Norweger zum Beispiel sehr gut, die fahren alle gleich."
Toni Giger war zwischen 1999 und 2010 Rennsportleiter der Herren, zwischen 2010 und 2022 anschließend in der Abteilung für Entwicklung, Forschung und Innovation im ÖSV tätig. Dann folgte der Absprung zur Ski-Marke von Ex-ÖSV-Schützling Marcel Hirscher. Inzwischen ist Giger Manager für "Global Sports", insbesondere bei Hirschers "Van Deer" engagiert. Giger ist beim Brausekonzern somit das Wintersport-Pendant zu Fußball-Guru Jürgen Klopp, der im Jänner als "Head of Global Soccer" übernommen hat.
Der Ski-Weltcup der Herren auf einen Blick
Reichelt gibt dem langjährigen ÖSV-Funktionär mit seinen harten Aussagen die Mitschuld, warum es im heimischen Skisport mittlerweile alles andere als rund läuft. Damit schlägt Reichelt in dieselbe Kerbe wie zuletzt auch Ski-Legende Hermann Maier.
Der Salzburger prangerte vor den Hahnenkammrennen an, dass sich der ÖSV in den letzten 15 Jahren zu sehr auf einzelne Topathleten konzentriert habe. Auch Reichelt sagt, mit Blick auf seine letzten Karrierejahre: "Da hat man gesehen, dass von unten nichts daherkommt."
Die von Maier angesprochene Zeit fällt genau in die Ära der Dominanz von Superstar Marcel Hirscher. Der Annaberger gewann achtmal in Folge den Gesamtweltcup. Der heimische Verband verpasste es allerdings, im Fahrwasser des besten Skifahrers seiner Zeit, junge Athleten aufzubauen.
Ganz anders sieht es heute in der Schweiz aus. Weltcup-Dominator Marco Odermatt führt ein Team an, in dem junge Toptalente nachdrängen, von Team-Leader Odermatt profitieren.
Reichelt: "Mich wundert es, dass die Österreicher, wenn sich die Möglichkeit ergibt, nicht mit Marco Odermatt mittrainieren lassen. Es heißt ja, dass man sich an den Besten orientieren sollte. Und die Schweizer sind halt die Besten, und der ÖSV ist gerade hintennach."
Auf den Punkt gebracht
- Hannes Reichelt kritisiert vor den Hahnenkamm-Rennen die aktuelle Krise des ÖSV und gibt dem ehemaligen Sportdirektor Anton Giger eine Mitschuld.
- Reichelt bemängelt das fehlende Technik-Leitbild und die mangelnde Nachwuchsförderung, was dazu geführt habe, dass die ÖSV-Herren seit 26 Rennen sieglos sind, während andere Nationen wie die Schweiz und Norwegen technisch überlegen seien.