Wien

Regenbogenfahne auf Corona-Demo "wegen FBI" zerrissen

Hetze gegen Schwule? Hinweise des US-Geheimdiensts hätten sie dazu bewogen, eine Regenbogenfahne mit Herz öffentlich zu zerreißen, so die Angeklagten.

Clemens Pilz
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Eine Corona-Demo in Wien am 27. Februar 2022
Eine Corona-Demo in Wien am 27. Februar 2022
Helmut Graf

Eine unter Maßnahmengegnern bekannte Aktivistin (30) und ein freier Journalist (44) standen am Mittwoch wegen Verhetzung vor dem Wiener Landesgericht. Den beiden wurde vorgeworfen, bei einer Kundgebung in Wien im September 2020 eine Regenbogenfahne auf der Bühne zerrissen zu haben. Ein Video, das im Gerichtssaal vorgespielt wurde, zeigte den Vorfall: "Ihr seid kein Teil unserer Gesellschaft. Wir müssen unsere Kinder gegen Kinderschänder schützen", ist die Angeklagte darin zu hören.

Die Frau erschien mit grellrotem Haar, Undercut und auf hohen Hacken und legte gleich zu Beginn der Verhandlung ein ärztliches Attest vor, wonach sie wegen Lungenerkrankungen keine Maske tragen könne. Der Richter akzeptierte dies, ließ die 30-jährige AMS-Kundin deswegen aber etwas abseits Platz nehmen. Auch der Zweitangeklagte äußerte zu Verhandlungsbeginn einen Wunsch: Er wehrte sich angesichts zahlreicher Journalisten im Zuseherbereich gegen die Verlesung seiner Wohnadresse, um nicht "auf einer Todesliste" zu landen. 

In den folgenden drei Stunden referierten vor allem die beiden Angeklagten, während ihre Rechtsanwälte das Geschehen über weite Strecken wortlos verfolgten. Ihr Argument: Sie hätten die Regenbogenfahne nicht aus Hass auf die LGBTQ-Szene zerrissen, sondern wegen des darauf abgebildeten Herzens. Dieses sei nämlich ein versteckter Code für Kinderschänder – er habe diesbezüglich intensiv recherchiert, greife auf Informationen des US-amerikanischen Inlandsgeheimdiensts "FBI" zurück und sei in der Szene gut vernetzt, so der freie Journalist. 

"Weinende Mütter" wiesen auf Symbol hin

Wie genau die Fahne mit dem angeblichen Kinderschänder-Code auf die Bühne gelangt sei, blieb vorerst unklar. Jedenfalls hätten sich "fünf bis sechs weinende Mütter" an sie gewendet, so die Aktivistin, und auf das Symbol aufmerksam gemacht – daraufhin hätten sie das Stoffteil mit dem Herzen zerrissen. Eine Beleidigung der LGBTQ-Szene habe man nicht beabsichtigt, schließlich sei auch der Zweitangeklagte selbst bisexuell und ein Mitglied dieser Community. Die Medien hätten den Vorfall falsch dargestellt und nicht auf den wahren Hintergrund der Handlung hingewiesen.

Ist das Herz in der Fahne nun tatsächlich ein Code für Bösartiges? Auf diese Frage zielte auch die Vernehmung ab. Die Angeklagten ließen sich nicht zweimal bitten und stellten ihre Theorie ausführlich dar. Sie pendelten mit Smartphone, Laptop, USB-Sticks und ausgedruckten Artikeln zwischen Bank und Richter hin und her und referierten ausführlich über ihre Rechercheergebnisse, wobei sie auch die Verschwörungstheorie "Pizzagate" zitierten. Der Richter ließ die Fülle an nicht im Akt enthaltenen "Beweismitteln" mit Engelsgeduld über sich ergehen, während der Geduldsfaden des Staatsanwalts sichtlich strapaziert wurde.

Freispruch für Duo

Nach der Vernehmung beantragten die Verteidiger die Ladung weiterer Zeugen, was vom Gericht abgelehnt wurde. Der Richter kam zu dem Schluss, dass dem Duo der Tatbestand der Verhetzung nicht mit ausreichender Sicherheit nachgewiesen werde könne und sprach die Aktivisten frei. Der Staatsanwalt gab keine Erklärung ab, das Urteil ist daher nicht rechtskräftig.

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