Klimaschutz
Rechtsstreit nach Lobautunnel-Aus – Stadtstraße kommt
Der abgesagte Lobautunnel erhitzt die Gemüter. Wien und Niederösterreich wollen klagen. Ministerin sieht sich im Recht. Wien wird Stadtstraße bauen.
Der an der Uni Innsbruck tätige Verfassungs- und Verwaltungsjurist Peter Bußjäger sagte heute in einem ORF-Radio-Interview, dass die zuständige Ministerin Leonore Gewessler (Grüne) seines Erachtens den Bau des Lobautunnels nicht "einfach so absagen" könne. Denn laut seiner Argumentation gebe es im Bundesstraßengesetz eine Festlegung, dass "eine Schnellstraße S1 verankert wird, mit gewissen Knoten und Anschlussstellen". Aus seiner Sicht bestehe "überhaupt kein Zweifel" daran, dass es eine verbindliche Festlegung im Gesetz gibt, an die sich die Ministerin halten müsse.
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Die Asfinag als Planungsträgerin habe einen großen Handlungsspielraum, so Jurist Bußjäger, aber der gesetzliche Auftrag für eine Schnellstraße bestehe. Würde Verkehrsministerin Leonore Gewessler das Projekt gänzlich absagen, ohne Alternativen in den Raum zu stellen, "ist das eine sehr heikle Geschichte", meinte der Rechtsexperte.
Gutachten gegen Gutachten
Das Verkehrsministerium kontert mit einem eigenen Rechtsgutachten. Der Vizedekan Konrad Lachmayer von der Sigmund Freud Universität betont, dass das Bundesstraßengesetz zwar die Grundlage für den Bau von Autobahnen und Schnellstraßen festlegt, die "konkretere zeitliche und inhaltliche Ausgestaltung aber bei der Klimaschutzministerin" liege.
Eine Verpflichtung zum Bau von Straßen zu einem bestimmten Zeitpunkt und mit bestimmter technischer Ausgestaltung bestehe so nicht. "Bestimmte Straßenprojekte finden sich im Bundesstraßengesetz, obwohl deren Bau schon lange möglich gewesen wäre, aber aus wirtschaftlichen, verkehrspolitischen oder technischen Gründen politisch offenbar nicht sinnvoll erschien und nicht priorisiert wurden", sagt Jurist Lachmayer.
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Eine neue Priorisierung habe auch der Rechnungshof in seinem Bericht 2018 empfohlen. Es gebe mehrere Projekte, die seit Jahren nicht mehr priorisiert werden. Ein Beispiel sei die Klagenfurter Schnellstraße S 37, die von der Steiermark bis nach Kärnten verlängert werden sollte. "Aus verschiedenen Gründen ist das Projekt seit über zehn Jahren nicht mehr vorangetrieben worden. Dasselbe gilt auch für die A22 Verlängerung über den Knoten Kaisermühlen über die Donau hinaus; auch dieses Projekt wird seit über zehn Jahren nicht mehr vorangetrieben“, erklärt Konrad Lachmayer.
Sima bekräftigt: Wien wird Stadtstraße bauen
Die Stadtstraße in der Donaustadt soll jedenfalls gebaut werden. Das hat Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit ihrem niederösterreichischen Amtskollegen, Landesrat Ludwig Schleritzko (ÖVP), heute bekräftigt. Die Verbindung solle Stadterweiterungsgebiete erschließen und alte Ortskerne entlasten, hieß es.
An dem von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) verkündeten "Aus für den Lobautunnel" übten die Ressortchefs erneut harsche Kritik. Dass die Absage des betreffenden Abschnitts der S1 bzw. die Alternativenprüfung bei der angrenzenden S8 Marchfeld Schnellstraße bereits besiegelte Sache sei, wird von Sima und Schleritzko angezweifelt.
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Die Umweltschutzorganisation Greenpeace fordert nach dem Stopp der Lobau-Autobahn "Verkehrslösungen statt Schockstarre" und Rechtsstreit. Auch der VCÖ fordert Taten ein. "Dass der sündteure Lobautunnel durch den Nationalpark nicht gebaut wird, ist nicht nur aus Umwelt-, sondern auch aus Verkehrssicht eine kluge Entscheidung", sagt Christian Gratzer vom VCÖ. Denn "Straßenausbau führt zu mehr Verkehr und damit a la longue wieder zu mehr Staus". Die Klimaziele könne Österreich nur mit einer verstärkten Verlagerung von Autofahrten auf Öffis erreichen, betont der VCÖ. Statt neuer Straßen sei der Öffentliche Verkehr auszubauen.
In einer ersten Reaktion haben die Aktivisten, die aktuell im Bereich von Baustellenarealen im 22. Bezirk campieren, angekündigt, ihre Besetzung fortsetzen zu wollen. Genau wie die Lobau-Autobahn werde man nun die Stadtautobahn stoppen, hieß es von der Bewegung rund um Jugendrat, System Change not Climate Change, Fridays for Future, Extinction Rebellion oder der Initiative "Hirschstetten retten".