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"Gesamte Lage verändert!"Nahost-Konflikt vor Eskalation

Ein Raketenangriff auf das al-Ahli-Arab-Spital in Gaza soll hunderte Menschen getötet haben. Die Hamas gibt Israel die Schuld – eine Eskalation droht.

Roman Palman
Tim Cupal berichtet als ORF-Korrespondent direkt aus Israel über aktuelle Entwicklungen.
Tim Cupal berichtet als ORF-Korrespondent direkt aus Israel über aktuelle Entwicklungen.
Screenshot ORF

Ein Raketenangriff auf das christliche geführte al-Ahli-Arab-Krankenhaus in Gaza-Stadt erschüttert die Welt. Der örtliche Zivilschutz und das palästinensischen Gesundheitsministerium sprechen von mindestens 300 bis 500 Todesopfern. Beide Behörden unterstehen der radikalislamischen Hamas, die alleine Israel für die Katastrophe verantwortlich macht.

Ein Hamas-Verantwortlicher klagte laut Ö1-Bericht vor laufenden Kameras Israel an, während zu seinen Füßen Verletzte und Sterbende liegen. "Eine sorgfältige Inszenierung, die Schmerz und Wut schüren soll", ordnet das ORF-Radio ein. 

Israel dementierte noch in der Nacht auf Mittwoch: "Wir greifen keine Krankenhäuser an. Die ganze Welt sollte wissen, es waren barbarische Terroristen in Gaza, die das Krankenhaus in Gaza angegriffen haben", heißt es aus dem Büro von Regierungschef Benjamin Netanjahu.

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    Ein Raketenangriff auf das al-Ahli-Arab-Spital in Gaza soll am 17. Oktober 500 Menschen getötet haben.
    Ein Raketenangriff auf das al-Ahli-Arab-Spital in Gaza soll am 17. Oktober 500 Menschen getötet haben.
    MAHMUD HAMS / AFP / picturedesk.com

    Die israelische Armee benennt konkret die ebenfalls in Gaza operierende Terrororganisation "Islamischer Dschihad" als Schuldigen: Eine Raketensalve, die die Islamisten aus dem Gazastreifen abgefeuert habe, sei in unmittelbarer Nähe des Spitals vorbeigezogen als dieses getroffen wurde. "Ich wiederhole: Es ist die Verantwortung von Islamischer Dschihad, welcher Unschuldige in dem Krankenhaus in Gaza getötet hat", sagt Armee-Sprecher und Flottillenadmiral Daniel Hagari.

    ORF-Korrespondent Tim Cupal liefert im Ö1-Morgenjournal per Schaltung aus Israel eine aktuelle Einschätzung der Lage: "Für mich war auffallend, wie schnell die israelischen Streitkräfte reagiert haben. Ganz einfach, weil man sich bewusst ist über die Tragweite dieses katastrophalen Vorfalls, die Tötung von hunderten Zivilisten in einem Spital, auch für die weiteren militärischen Pläne."

    Gaza-Terroristen operieren nahe Kliniken

    Der erfahrene Außenreporter hält Israels Darstellung des Geschehenen für "nicht unwahrscheinlich". Mehrere Videoaufnahmen aus Gaza, die auch in Israel kursieren, scheinen diese israelische Einschätzung unabhängig voneinander zu belegen. Man sehe darauf den Start einer Raketensalve, dann wenig später eine Explosion auf dem Gelände des Spitals, meldet der ORF-Mann. 

    Und: "Persönlich kann ich nach mehreren Gaza-Aufenthalten in den vergangenen Jahren sagen: Ja, immer wieder detonieren Raketen innerhalb des kleinen Küstenstreifens. Die schaffen es nicht einmal auf israelisches Territorium. Und ja, immer wieder haben wir festgestellt, dass Terrorgruppen in unmittelbarer Nähe zu Spitälern, oder zu Schulen operiert haben."

    Genau wisse man es aber nicht und derzeit lassen sich die Angaben beider Seiten nicht unabhängig überprüfen. Eine lückenlose Aufklärung wird bereits seit den ersten Stunden nach dem Raketentreffer gefordert, mit internationalem Druck dahinter.

    "Gamechanger in diesem Konflikt"

    Gesundheitseinrichtungen gelten grundsätzlich in allen Konflikten als sakrosankt (– auch wenn das die russische Armee bisher nicht an der Bombardierung ukrainischer Kliniken gehindert hat. [1][2]) Der blutige Angriff auf das Gaza-Spital ließ deshalb umso mehr enorme Schockwellen besonders durch die arabische Welt gehen. Die Chance auf einen Flächenbrand im Nahen Osten ist dadurch enorm gestiegen.

    "Die Ereignisse überschlagen sich richtiggehend. Viele sprechen schon jetzt von einem Gamechanger in diesem Konflikt – egal ob jetzt Israel oder eine Terrororganisation für diese Katastrophe verantwortlich ist", weiß Cupal. "Es entwickelt schon eine Eigendynamik; wie Domino-Steine, die einer nach dem anderen umfallen." 

    "Gesamte Lage in der Region verändert"

    Hamas-Terrorchef Ismail Haniyya, der schon lange den Konflikt mit Israel auszuweiten versucht, rief aus seinem Exil im Emirat Katar alle Palästinenser zur Rache auf.

    Das sunnitische Saudi-Arabien, das kurz vor dem Angriff der radikalen Hamas noch an einer Normalisierung seiner Beziehungen mit Israel gearbeitet hatte, gibt den Israelis die alleinige Schuld an dem Angriff auf das al-Ahli-Arab-Krankenhaus, an ein Glättung der Wogen ist auf einmal nicht mehr zu denken. 

    Und auch die libanesische, von Iran ausgerüstete Hisbollah erklärte in einer Stellungnahme, dass "Worte nicht mehr ausreichen" würden an diesem "Tag des beispiellosen Zorns". Eine zweite Front im Norden Israels wird damit schlagartig wahrscheinlicher. Bisher hatte es dort nur kleinere Scharmützel gegeben.

    "Wir sehen insgesamt wie dieser Vorfall die gesamte Lage in der Region verändert hat", fasst ORF-Korrespondent Cupal zusammen. Und selbst in den westlichen Ländern könnte nun die bisher geschlossene Unterstützung für Israel bröckeln, Experten würden schon jetzt mit einem Umschwung der öffentlichen Meinung rechnen.

    "Ob das Israel von einem Großangriff abhält, kann ich nicht sagen. Nur so viel: Israel sieht sich nicht in der direkten Verantwortung für diese Katastrophe im al-Ahli-Spital". 

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      <strong>21.12.2014: Magdeburg-Terrorist war bekannter Anti-Islam-Aktivist.</strong> Der mutmaßliche Täter des Anschlags von Magdeburg erhob schwere Vorwürfe gegen Deutschland und unterstützte Frauen, <a data-li-document-ref="120079782" href="https://www.heute.at/s/magdeburg-terrorist-war-bekannter-anti-islam-aktivist-120079782">die aus Saudi-Arabien flüchteten.</a>
      21.12.2014: Magdeburg-Terrorist war bekannter Anti-Islam-Aktivist. Der mutmaßliche Täter des Anschlags von Magdeburg erhob schwere Vorwürfe gegen Deutschland und unterstützte Frauen, die aus Saudi-Arabien flüchteten.
      REUTERS