Es gibt Zweifel
Rätsel um Hamas-Zentralen unter dem Schifa-Spital
Israel hat unterm Al-Schifa-Komplex einen Tunnelschacht präsentiert. Das sei der Beweis, dass die Hamas das Spital missbrauche. Doch es gibt Zweifel.
Israel wirft der Hamas vor, unter Spitälern Tunnel und Kommandozentralen eingerichtet zu haben. Die Hamas weist dies zurück. Von Israel präsentierte Waffen seien von Israel selbst platziert worden. Ein Video soll nun einen Tunnelschacht unter dem Schifa-Spital zeigen. Kritikern zufolge handelt es sich dabei aber um den Zugang für ein unterirdisches Stromkabel. Ein Überblick dazu, was wir wissen und was nicht.
Gibt es Tunnel unter dem Spital?
Israels Armee hat einen Tunnelschacht der islamistischen Hamas auf dem Gelände der größten Klinik des Gazastreifens freigelegt. Das Militär veröffentlichte am Donnerstagabend ein Video mit dem Schacht, der Gebäude des Schifa-Krankenhauses verbinden soll. Nicht unter, aber im Spital-Komplex sollen auch Hamas-Kommando- und Kontrollzentren gefunden worden sein, hieß es.
Israel hatte den Krankenhauskomplex in den 1980er-Jahren ausgebaut und renoviert. Dabei wurden 1983 ein sicherer unterirdischer Operationssaal und ein Tunnelnetz gebaut. Die Hamas empfing dort in den 2000er-Jahren sogar immer wieder Reporter. Unklar ist, ob diese Tunnel noch immer existieren und benutzt wurden oder ob sie zugeschüttet wurden oder zumindest "inaktiv" sind.
Alles in allem lassen sich die Angaben nicht unabhängig überprüfen, denn die internationale Presse ist nicht zugelassen, solange die Kämpfe andauern.
Gibt es Zweifel?
Ja. Gerade in der arabischen Presse, etwa al-Jazeera, wird davon ausgegangen, dass der Tunnelschacht nicht der Eingang zu Hamas-Tunnel, sondern in Wahrheit ein Zugang für ein unterirdisches Stromkabel ist. Auch ist immer noch unklar, ob es unter dem Spital wirklich Hamas-Kommandozentralen gibt und die Terrororganisation das Krankenhaus somit für seine Zwecke missbraucht – inklusive der Patienten, die dann als Schutzschild fungieren würden.
Davon ist Israel überzeugt: Am 27. Oktober, dem Tag des Einmarsches in Gaza, hatte das israelische Militär eine Karte des Geländes veröffentlicht. Demnach soll die Hamas vier unterirdische Komplexe unter der Abteilung für innere Medizin, der Thorax- und Dialyseabteilung, der MRT-Abteilung sowie einem Ruhebereich am westlichen Rand des Krankenhauses betreiben.
Als das israelische Militär vor wenigen Tagen mit der Durchsuchung des Al-Schifa-Krankenhauses begann, präsentierte es als ersten Beweis für die militärische Präsenz der Hamas ein Video aus der Radiologie-Abteilung des Spitals (auf der Karte: MRI Compound): Es zeigte allerdings lediglich etwa ein Dutzend Gewehre, eine Granate, Schutzwesten und Uniformen.
Ein Hamas-Sprecher beschuldigte Israel daraufhin, die Waffen und andere Gegenstände dort selbst platziert zu haben. Das israelische Video sei "eine schwache und lächerliche Darstellung", man habe "zu dieser Farce gegriffen, um den Fail ihrer angeblichen Geschichte zu vertuschen." Augenzeugen, etwa Ärzte, bestreiten ebenfalls, dass das Spital von der Hamas als Kommandozentrale genutzt wurde.
Allerdings: Die israelischen Einheiten haben bis jetzt nur einzelne Gebäude auf dem Komplex durchsucht – wie eben jenes der MRT-Abteilung, wo man nie eine Hamas-Zentrale vermutet hatte.
Wieso wären Beweise so wichtig?
Nicht nur wegen der Glaubwürdigkeit des israelischen Einsatzes gegen das Al-Schifa-Spital und andere Kliniken in Gaza. Israel steht deswegen international in der Kritik. Einige Staaten werfen dem Land Kriegsverbrechen vor. Laut humanitärem Völkerrecht sind Angriffe auf zivile Ziele wie Krankenhäuser verboten. Wenn zivile Objekte aber für militärische Zwecke missbraucht werden, gilt dies laut Völkerrechtlern nicht mehr.
Israel muss seine Behauptung, die Hamas nutze Krankenhäuser als Deckung, auch deswegen mit Beweisen untermauern können, damit seine ausländischen Verbündeten die militärische Reaktion auf den Angriff der Hamas weiterhin unterstützen. Sicher ist, dass die Terrororganisationen Meister im Tunnelbau sind. Auch der "Islamische Staat" hat sich darauf spezialisiert.
Was passiert als Nächstes?
Die Truppen bräuchten mehr Zeit, um das Gelände des Krankenhauses zu durchsuchen: "Die Hamas wusste, dass wir kommen" und habe deswegen versucht, ihre Spuren zu verwischen, so ein Militärsprecher. So sei Sand herbeigeschafft worden, um Böden zu bedecken sowie doppelte Wände errichtet worden.
Es wird interessant, wenn Israel die internationale Presse einlädt, sich selbst ein Bild zu machen. Das war bislang nicht möglich, was die Zweifel an Israels Darstellung zu den Tätigkeiten der Hamas weiter erhöhte.
Wo sind die israelischen Geiseln?
Die Armee hatte vor einigen Tagen mitgeteilt, dass im Keller des Rantisi-Krankenhauses Geiseln festgehalten worden sein könnten. Die Armee hatte dort Waffen gefunden. Das Rantisi-Krankenhaus ist spezialisiert auf die Behandlung krebskranker Kinder.
Auch in der Al-Schifa-Klinik könnten Geiseln festgehalten worden sein, so der israelische Premierminister Benjamin Netanyahu. "Wir hatten konkrete Hinweise, dass sie im Schifa-Krankenhaus festgehalten wurden, was einer der Gründe ist, warum wir das Krankenhaus betreten haben". Er fügte an: "Wenn sie dort waren, wurden sie herausgeholt".
Niemand außer die Hamas weiß, wo die über 200 Verschleppten derzeit sind. Das israelische Militär hat nach eigenen Angaben zwei tote Geiseln in einem Gebäude gefunden, das an das Schifa-Krankenhaus angrenzt.