Ukraine

Putin vertraut – "mag sein, aber was bringt das jetzt?"

Der russische Angriff auf die Ukraine habe in Europa alle überrascht, so Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Tatenlos sehe man aber nicht zu.

Rene Findenig
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Bundespräsident Alexander Van der Bellen.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen.
Frederic Kern / Action Press / picturedesk.com

Krieg in der Ukraine und Preisexplosionen in Europa: Eine "Zeitenwende" sei ein passendes Wort dafür, so Bundespräsident Alexander Van der Bellen am späten Donnerstagabend in der ORF-"ZiB 2" im Interview mit Moderator Martin Thür. Alle seien sehr überrascht gewesen über den russischen Angriff auf die Ukraine, aber es würden "alle unsere Konsequenzen ziehen". Verhängt wurden etwa "drastische Sanktionen", in einer solchen Schnelligkeit und Größe habe es das "meines Wissens so noch nicht gegeben", sagte Van der Bellen. Und: "Wir werden damit schon fertigwerden."

"Die EU sieht nicht tatenlos zu"

Ob es moralisch vertretbar sei für die EU, tatenlos zuzusehen, wie der russische Präsident Wladimir Putin Menschen tötet? "Die EU sieht nicht tatenlos zu", so der Bundespräsident, die Wirtschaftssanktionen würden in Russland wirken, was man beispielsweise am Verfall des Rubels sehe. Außerdem entspreche der militärische Vormarsch in der Ukraine "ganz sicher nicht den Erwartungen der militärischen Führung". Es habe schnelle nicht-militärische Reaktionen gegen Russland gegeben. Und hat Österreich zu lange mit einem Kriegstreiber gehandelt? Man habe mit russischen Unternehmen "keine schlechten Erfahrungen gemacht" und es sei "etwas ungerecht, das den Firmen vorzuhalten".

Vor 14 Tagen habe außer den USA in Europa niemand mit Krieg gerechnet, sondern eher mit einer Drohkulisse, die aufgebaut würde, so Van der Bellen. Waren wir zu nachsichtig mit Putin? "Mag schon sein, aber was bringt das jetzt?", so der Bundespräsident. Geschäftsverbindungen mit Russland hätten über Jahrzehnte gut funktioniert, wieso hätte man das ohne ausreichenden Anlassfall kappen sollen, so Van der Bellen, der aber auch Fehler in der Vergangenheit zugab.

"Es geht um das Hier und Jetzt"

Es gehe nun "um das Hier und Jetzt", die Maßnahmen mit der EU und den USA seien in einem Ausmaß und einer Schnelligkeit getroffen, "die sich für bemerkenswert halte", so Van der Bellen. In Sachen Gas- und Energielieferungen aus Russland an Österreich müsse es Ziel sein, "unseren Lieferantenbereich zu diversifizieren", sagte der Bundespräsident. Es sei "nicht schlau" gewesen, sich darauf zu verlassen, "dass immer pünktlich geliefert wird" und man habe sich damit vielleicht auch in Sicherheit gewiegt. "Hier geht es schon darum, um eine Rezession abzuwenden", warnte Van der Bellen aber auch.

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    Erstmals seit Beginn des Krieges vor zwei Wochen haben sich Russlands Außenminister Sergej Lawrow und sein ukrainischer Kollege Dmytro Kuleba heute zu direkten Verhandlungen getroffen.
    Erstmals seit Beginn des Krieges vor zwei Wochen haben sich Russlands Außenminister Sergej Lawrow und sein ukrainischer Kollege Dmytro Kuleba heute zu direkten Verhandlungen getroffen.
    FATIH AKTAS / AFP / picturedesk.com

    Ganz schlecht wäre es nun, eine Maßnahme wie einen kompletten Energielieferungsstopp zu beschließen, die man dann nicht durchhalte, so Van der Bellen. Und muss Österreich stärker bei den ukrainischen Flüchtlingen eingreifen und Flüchtlinge etwa aus Polen nach Österreich holen? Man sollte "aufhören, von einer Last zu sprechen", so Van der Bellen. Menschen würden die Grenze überschreiten, wo es ihnen möglich sei, um weiter zu ihren Familien und Freunden zu gelangen. Van der Bellen sei "sehr froh", dass in Österreich eine große Bereitschaft bestehe, "diese Menschen aufzunehmen". 

    "ich danke allen Spenderinnen und Spendern von ganzem Herzen", so Van der Bellen zur Aktion "Nachbar in Not" für die Ukraine. Am Ende des Interviews gab es dann noch eine innenpolitische Frage: Wird sich Van der Bellen der Wiederwahl zum Bundespräsidenten stellen? "Nice try, lieber Herr Thür, aber jetzt haben wir wirklich alle anderen Dinge im Kopf", so der Bundespräsident. Jetzt gehe es um das Erreichen einer Waffenruhe in der Ukraine und darum, den flüchtenden Menschen zu helfen: "Über den Rest werden wir schon noch Gelegenheit haben, zu sprechen."