Ukraine
Putin in Angst – und das alles am wichtigsten Tag
Der 9. Mai hat in Russland einen besonderen Stellenwert und gilt als heiliger Tag. Doch gerade jetzt geht in Moskau die Angst um. Die Details.
Am 9. Mai feiert Russland den "Tag des Sieges" über Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg – heuer jährt er sich zum 78. Mal. In den vergangenen Jahren war der Tag für den russischen Präsidenten Wladimir Putin ein Anlass, um seine Muskeln spielen zu lassen. Doch seit Ausbruchs des Ukraine-Kriegs hat sich so einiges verändert: Plötzlich geht in Moskau die Angst vor möglichen Anschlägen um.
"Es herrscht eine Nervosität"
Denn nur knapp eine Woche vor dem "Tag des Sieges" kam es am 3. Mai in Moskau zu einem Drohnen-Angriff auf den Kreml – diese wurden kurz vor dem Einschlag durch die russische Luftabwehr abgeschossen. Der Feuerball setzte kurzzeitig das Dach der russischen Machtzentrale in Brand. Der Kreml behauptete, es handle sich um einen Angriff anlässlich der Parade zum 9. Mai.
"Es herrscht eine Nervosität, wie ich sie noch nie erlebt habe", beschrieb ein Beamter im Büro des Moskauer Bürgermeisters im "Guardian" die aktuelle Stimmung in der russischen Hauptstadt. "Aber der 'Tag des Sieges' muss stattfinden, es gibt keine andere Möglichkeit", betonte er.
Militärparaden abgesagt
Vor den jährlichen Gedenkfeiern zum Tag des Sieges über Nazi-Deutschland am Dienstag sind die Sicherheitsvorkehrungen in Russland nun deutlich verstärkt worden. In 21 Städten seien Militärparaden zum 9. Mai ganz abgesagt worden, und das erstmals seit Jahren, berichteten russische Medien. Regionale Behörden begründeten die Absagen und zusätzlichen Einschränkungen mit nicht näher benannten Sicherheitsbedenken oder verwiesen vage auf die "derzeitige Situation". Unklar war zunächst, ob die Entscheidungen in Absprache mit dem Kreml getroffen wurden.
Putin soll Rede halten
Sowohl in Moskau als auch in St. Petersburg wurde die zivile Nutzung von Drohnen bis nach dem Feiertag verboten. In den beiden Metropolen sollten die geplanten Paraden am Dienstag aber stattfinden. In St. Petersburg mit seinen vielen Kanälen wurde unter anderem die Verwendung von Jet Skis untersagt. In Moskau durften Autos von Car-Sharing-Diensten nicht ins Zentrum fahren. Am Roten Platz findet dort die traditionelle Militärparade statt, in Anwesenheit von Präsident Putin.
Zunächst war dafür nur ein ausländischer Staatschef als Gast erwartet worden, der kirgisische Präsident Sadyr Dschaparow, der nach seiner Ankunft mit Putin zu einem Treffen zusammenkam. Am Montag wurden aber kurzfristig noch andere ausländische Ehrengäste angekündigt: Emomali Rachmon, Präsident der Republik Tadschikistan, der usbekische Staatschef Schawkat Mirsijojew, der armenische Regierungschef Nikol Paschinjan sowie der kasachische Staatschef Kassym-Schomart Tokajew.
Kasachstan unterstützt Putin nicht
Dass Paschinjan aus Armenien und Tokajew aus Kasachstan anreisten, werteten Beobachter als überraschend. Beide Staaten gelten zwar als Verbündete Russlands, haben aber nicht öffentlich Unterstützung für Russlands Angriffskrieg in der Ukraine bekundet. Tokajew telefonierte sogar mehrfach mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski und sagte Putin im letzten Sommer, Kasachstan werde die russisch besetzten ukrainischen Regionen Donezk und Luhansk nicht als unabhängige Staaten anerkennen.
Selenski: "Aggressoren besiegen"
Selenski sagte am Montagabend in seiner täglichen Videoansprache: "Heute, am 8. Mai, wenn sich die Welt an die Worte 'Nie wieder!' erinnert, geben wir in der Ukraine diesen Worten eine Bedeutung." Es gehe nicht nur darum, sich zu erinnern, sondern seine Werte auch zu schützen und Aggressoren zu besiegen. "Die Erfolge der Ukrainer bei der Verteidigung gegen die russische Aggression sind eindeutig ein Gegengift gegen andere Aggressionen", sagte Selenski. Die Welt könne sehen, wie sich ein freies Volk vor Eroberern schütze. "Wenn wir das können, können dies andere auch." Am 8. Mai wird in Europa alljährlich des Endes des Zweiten Weltkriegs gedacht.
Selenskis Ansprache dürfte sich angesichts der bevorstehenden Siegesparade in Moskau auch gegen die russische Propaganda richten. Diese beansprucht für den Kreml das Monopol auf den Sieg gegen Hitler-Deutschland im Zweiten Weltkrieg und verklärt den eigenen Angriffskrieg gegen die Ukraine quasi zur Fortsetzung des sowjetischen Abwehrkampfs