Wintersport
Premiere! Im Blindflug über die Streif
Das gab es noch nie! Die sehbehinderte ÖSV-Läuferin Veronika Aigner wagte sich auf die Streif.
Nicht selten klagen Ski-Stars über schlechte Sicht auf der Piste. Veronika Aigner kann darüber nur lachen. Die Niederösterreicherin meistert ihr Leben mit nur acht Prozent Sehkraft - und wagte sich trotzdem die Streif hinunter.
Schwester Elisabeth fungiert auf der Piste als Guide. Und das höchst erfolgreich. Im Para-Ski-Weltcup rast das Duo von Erfolg zu Erfolg, bei den Winter-Paralympics in Peking gelang 2022 Doppel-Gold.
Nun also Kitzbühel. "Es war etwas ganz Besonderes, die präparierte Streif auf diese Art kennenzulernen, wie es sonst nur den Weltcup-Herren möglich ist. Für diese unbezahlbare Erfahrung sind wir sehr dankbar", sagt Elisabeth. Dennoch dachte sie im Starthaus: "Manchmal ist es besser, man sieht weniger. Da schaust du gefühlt gerade runter, das ist ein Moment, wo einem so die Spucke wegbleibt."
Gefahren wurden nur gewisse Passagen - als Vorbereitung auf die WM in Spanien. "Je länger man auf der Piste unterwegs ist, umso sicherer fühlt man sich. Wir wollten aber mit Hinblick WM verletzungsfrei runterkommen. Nächstes mal würden wir mit mehr Speed fahren", grinst Elisabeth.
Doch wie kommt man nahezu blind auf Skiern einen Berg hinunter? Elisabeth fährt als Guide voraus. In den Helmen sind Mikrofon und Kopfhörer integriert und per Funk miteinander verbunden. "Die Elisabeth gibt Kommandos. Sie sagt mir durch, wenn zum Beispiel ein Loch in der Piste ist. Ich muss dann schnellstmöglich reagieren. Manchmal reden wir mehr als nötig, also auch viel Blödsinn. Das gehört dazu", sagt Veronika.
Elisabeth ergänzt: "Meine Skischuhe sind mit neonfarbigen Clips gekennzeichnet. So kann Veronika sagen, ob ich zu weit weg bin, ich langsamer fahren soll. Denn wenn ich zu schnell wegfahre, stresst es sie, passt die Technik nicht. Außerdem werden wir disqualifiziert, wenn der Abstand zu groß wird."
Andere Athleten versuchen es mit Musik im Ohr, brauchen den Rhythmus. "Die Italienerinnen zum Beispiel. Am Start geht bei denen die Party ab, das motiviert. Wir haben es noch nie ausprobiert. Ich müsste mir einen Ghettoblaster hinten raufschnallen. Im Helm sind zwar Kopfhörer drin, aber da hört man nur die Stimme", erklärt Guide Elisabeth.
Die Weltcup-Rennen von Vincent Kriechmayr, Katharina Liensberger und Co. verfolgt Veronika trotz Sehschwäche für gewöhnlich im TV. "Ich sitze halt recht nahe dran." Eine Chance auf Heilung besteht nicht. "Es ist ein Nerv geschädigt, seit der Geburt. Man kann nichts mehr reparieren. Der Augendruck kann sich mit den Jahren erhöhen, dann wird die Sehkraft noch weniger", erklärt Elisabeth.
Auch Mama Aigner ist beinahe blind, so wie drei der fünf Aigner-Geschwister - die bei den Paralympics für neun (!) der 13 ÖSV-Medaillen sorgten.
Bei der aktuell laufenden WM bestreitet Veronika nur die Technik-Bewerbe. Wenngleich sie auf der Streif in den Geschwindigkeitsrausch kam.