Politik
"Präfaschistoid, Frauen verbrennen" – Vizekanzler tobt
Vizekanzler Werner Kogler übte am Samstag Brachial-Kritik an Aussagen von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner. Die ÖVP kocht deshalb.
Dass die ÖVP in ihren politischen Slogans vermehrt ihre Inhalte als jene der "Normaldenkenden" hinstellen will, hat für einen Brachial-Angriff von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) auf die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) gesorgt. Und das mit absolut ungewohnt scharfen Worten. Weil Mikl-Leitner öfters darüber gesprochen hatte, "die große Mehrheit der Normaldenkenden" zu vertreten und Politik für die "normal denkende breite Mitte der Bevölkerung" zu machen, tobte der Vizekanzler am Samstag im "profil"-Interview.
„"Was die Norm ist, ist zeitabhängig. Die Kirche fand es einmal normal, Frauen zu verbrennen"“
"Eine derartige Herangehensweise ist das Einfallstor für das Böse in der Welt, um in der Diktion der katholischen ÖVP zu sprechen", so Kogler. "Denn was die Norm ist, ist zeitabhängig. Die Kirche fand es einmal normal, Frauen zu verbrennen", so der Vizekanzler. Und: "Ich finde diese Ausdrucksweise eben deshalb brandgefährlich und darüber hinaus präfaschistoid." ÖVP-NÖ-Klubobmann Jochen Danninger zeigte sich entsetzt: "Für uns sind Normaldenkende die Mitte der Gesellschaft. Die Menschen der Mitte picken sich nicht an die Straßen und blockieren Einsatzfahrzeuge oder Menschen."
„"Die Grünen baden schon viel zu lange selbstherrlich in ihren realitätsfremden Vorstellungen der politischen Korrektheit, wo man keinen 'Mohr im Hemd' essen darf"“
Kogler möge erklären, was an den ÖVP-Aussagen "präfaschistoid" sein solle, hieß es in einer Aussendung. "Wir lassen uns in Niederösterreich sicher keine Lehrstunde von Herrn Kogler in seiner moralischen Erhabenheit erteilen. Die Grünen baden schon viel zu lange selbstherrlich in ihren realitätsfremden Vorstellungen der politischen Korrektheit, wo man keinen 'Mohr im Hemd' essen darf, jeder Satz mit Gender-Sternchen unleserlich gemacht werden muss und Kinder sich nicht mehr als Indianer verkleiden dürfen. Sie diktieren der Mitte der Gesellschaft ihre Erziehungsmaßnahmen."
„"Dabei zeigt der moralische Hochadel der Grünen einmal mehr, dass er von den tatsächlichen Sorgen der schweigenden Mehrheit der Menschen in diesem Land keine Ahnung hat"“
Der Klubobmann sprach gar von einem "präpotenten Meinungsdiktat der moralisch Erhabenen", das "unerträglich" werde. "Dabei zeigt der moralische Hochadel der Grünen einmal mehr, dass er von den tatsächlichen Sorgen der schweigenden Mehrheit der Menschen in diesem Land keine Ahnung hat." Danninger: "Aus den Wiener Innenstadt-Kaffeehäusern sieht man die Welt mit ganz anderen Augen als beispielsweise im Marchfeld, wo man nicht mit dem Lastenrad zur Arbeit fahren kann. Die breite Mitte der Gesellschaft bleibt beim lauten Geschrei der politischen Ränder oft ungehört."
„"Erinnert an eine Zeit, wo die Mehrheit entschieden hat, was falsch oder richtig und somit normal ist"“
Auf ORF-Nachfrage im Büro des Vizekanzlers legten die Grünen aber sogar noch eine Schippe nach – die Kritik richte sich an die Ausdrucksweise Mikl-Leitners, die Kogler laut Bericht "an eine Zeit erinnere, wo die Mehrheit entschieden habe, was falsch oder richtig und somit normal sei". Es ist nicht das erste Mal, dass Kogler scharfe Worte Richtung Niederösterreich richtete. Weil die niederösterreichische ÖVP mit der FPÖ koaliert, hatte der Vizekanzler davon gesprochen, dass Mikl-Leitners Handeln, "die Kellernazis in höhere Etagen zu heben", verantwortungslos sei. Eine angekündigte Klage der FPÖ blieb aus.
„"Gute Politiker:innen werben dafür, wovon sie überzeugt sind, und verstecken sich nicht hinter dem, was sie zur Norm erklären"“
"Der politische Ansatz, Menschen in 'normal' und 'nicht normal' einzuteilen, ist brandgefährlich. Und das ist ganz was anderes als der politisch völlig legitime Anspruch, die Mitte der Gesellschaft mit bestimmten demokratischen Positionen vertreten zu wollen. Darauf hat Werner Kogler heute einmal mehr entschieden hingewiesen", so Olga Voglauer, Generalsekretärin der Grünen, gegenüber "Heute".
VP-Klubobmann Danninger wie auch NÖ-VP-Geschäftsführer Bernhard Ebner empfehle sie "die genaue Lektüre der betreffenden Passage": "(…) was die Norm ist, ist zeitabhängig. Die Kirche fand es einmal normal, Frauen zu verbrennen. Daher weiß ich nicht, wo der Unsinn mit 'normal' hinführen soll. Es geht in der Demokratie um Mehrheiten – aber auch Minderheiten müssen geschützt werden. Gute Politiker:innen werben dafür, wovon sie überzeugt sind, und verstecken sich nicht hinter dem, was sie zur Norm erklären. Ich finde diese Ausdrucksweise eben deshalb brandgefährlich und darüber hinaus präfaschistoid. Eine derartige Herangehensweise ist das Einfallstor für das Böse in der Welt, um in der Diktion der katholischen ÖVP zu sprechen".
„"Es ist an der Zeit, die ständigen Wortgefechte, Übertreibungen und die Zuspitzungen für Schlagzeilen zu beenden"“
Indes rief die Bundes-ÖVP zur Mäßigung auf. "Es ist an der Zeit, die ständigen Wortgefechte, Übertreibungen und die Zuspitzungen für Schlagzeilen zu beenden und zur Vernunft zu kommen. Die Politik sollte keine Wortmeldungen wie 'präfaschistoid' verwenden, nur um aufs Titelblatt zu kommen. Damit führt man das Land nicht in eine erfolgreiche Zukunft. Das Bild, welches in den vergangenen Tagen gezeichnet wurde, lehne ich zutiefst ab", so der Generalsekretär der Volkspartei, Christian Stocker.
Und: "Gegenseitiger Respekt ist in einer Demokratie unverzichtbar, man muss respektvoll und auf Augenhöhe miteinander agieren und kommunizieren. Gerade von Persönlichkeiten, die in der Öffentlichkeit stehen, wird das erwartet. Kehren wir gemeinsam zur Sachpolitik zurück und lassen diese untergriffigen Zwischenrufe hinter uns."