Wien

Polizist ignoriert Notruf – keine Hilfe bei Mordversuch

Eine Frau wählte den Notruf, weil ihr Ex-Mann mit einem Messer auf sie losging. Am anderen Ende bekam sie statt Hilfe eine Beleidigung zu hören.

Leo Stempfl
Das Gespräch mit 133 verlief alles andere als vorschriftsgemäß. (Symbolbild)
Das Gespräch mit 133 verlief alles andere als vorschriftsgemäß. (Symbolbild)
Getty Images

Am 6. Jänner 2022 ging um 16.37 Uhr in der Wiener Leitstelle ein Notruf ein – "Heute" berichtete. Eine Frau gab an, dass sie dringend Hilfe benötige. "Er" habe ein Messer. Während der Beamte nach der Adresse fragte, waren nur noch laute Schreie und verschiedene Geräusche, darunter offenbar auch eine Art Lachen, zu hören.

"Kann es sein, dass ihr zwei ein bissl deppert seids?“, sagte der Polizist daraufhin. Danach ist das Gespräch abgebrochen, heißt es in der Entscheidung der Bundesdisziplinarbehörde, über die der "Kurier" zuerst berichtete.

Lebensgefährlich verletzt

Wie sich später herausstellte, wurde die Anruferin von ihrem Lebensgefährten – gegen den Stunden zuvor ein Betretungs- und Annäherungsverbot ausgesprochen wurde – an ihrer Wohnadresse abgepasst. Sie war gerade am Rückweg von der Polizeiinspektion. Als sie ihn erblickte, gelang es ihr noch, den Notruf zu wählen. Währenddessen stach er mehrere Male auf sie ein und verletzte sie lebensgefährlich.

16.38 Uhr, also eine Minute später, ging ein weiterer Notruf ein. Ein Zeuge meldete den Vorfall, gab dem Kollegen eine Täterbeschreibung und das Kennzeichen des Fluchtfahrzeugs durch. Der Beamte, der den ersten Notruf entgegennahm, befand sich im Nahbereich und bekam mit, dass es hier um den ihm zuvor geschilderten Sachverhalt ging. Er alarmierte deswegen um 16.39 Uhr eigenständig die Rettung. Protokolliert wurde der Vorfall im Anschluss nicht mit der Nummer des Opfers, sondern jener des zweiten Anrufers.

"Emotionaler Ausrutscher"

Gegenüber der Disziplinarbehörde gab der Polizist wenige Tage später an, dass ihm ein "emotionaler Ausrutscher" passiert sei, weil er eine lachende Stimme gehört habe. Er bekannte sich weiters teilweise für schuldig und führte an, dass er den Ernst der Lage zunächst nicht erkannt hätte, weshalb er auch mit einer verbalen Entgleisung gegenüber der Anruferin reagierte. Bei der eigenen Dokumentierung sei das System hängengeblieben, im Anschluss habe er sich einfach bei der Nummer geirrt.

Gegen das im Anschluss eingeleitete Disziplinarverfahren reichte der Beamte Beschwerde ein, welche jedoch abgewiesen wurde. Am 20. Februar 2023 kam es schließlich zu mündlichen Verhandlung, bei der auch der langjährige Vorgesetzte des Beschuldigten aussagte.

Nicht die erste Beschwerde

Der Entscheidungstext fasst zusammen: "Im Laufe der Zeit ist es zu zahlreichen Beschwerden gekommen, weil der Beschuldigte gegenüber Parteien aber auch gegenüber Amtsärzten zu bestimmt und unhöflich aufgetreten ist. Deshalb habe es auch immer wieder Gespräche zwischen dem direkten Vorgesetzten und dem Beschuldigten gegeben, die auch zunächst fruchteten und zu einer Besserung im Umgangston geführt haben, jedoch immer nur kurzfristig."

Der Disziplinaranwalt führte in weiterer Folge aus, dass es in Anbetracht der Vielzahl an Frauenmorden derartige Hilferufe umgehend und ordnungsgemäß zu bearbeiten sind, um damit die Rettungskette für einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten.

Das Urteil: Zwei Monatsbezüge Geldstrafe, heißt 8.000 Euro, zu zahlen in acht monatlichen Raten. Laut der Wiener Polizei wurde er zudem "dauerhaft einem anderen Aufgabenbereich zugeteilt.".

Der Angreifer hat die Scheidung nicht akzeptiert und ist daraufhin mit einem Messer auf seine Ex-Frau losgegangen.
Der Angreifer hat die Scheidung nicht akzeptiert und ist daraufhin mit einem Messer auf seine Ex-Frau losgegangen.
Denise Auer

Furchtbarer Fall wurde als Mordversuch verurteilt

Beim Prozess am 15. November 2022, bei dem "Heute" vor Ort war, wurde der Ehemann des Opfers übrigens wegen Mordversuchs nach 11 Messerstichen einstimmig von den Geschworenen zu lebenslanger Haft verurteilt. "Ich bin eigentlich gegen Gewalt" hatte das "Musterbeispiel eines Patriarchs" (Zitat der Staatsanwältin) beim Prozess behauptet. Das Opfer erlitt bei dem Angriff so schwere Verletzungen, dass es insgesamt viermal operiert werden musste.

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