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Politiker verspotten Amoklauf-Überlebende

Ihr Kampf gegen Waffen bringt Emma Gonzalez viel Respekt ein – aber auch Spott von Verschwörungstheoretikern und konservativen Politikern.

Heute Redaktion
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Die schweigende Parkland-Schülerin Emma Gonzalez trieb Hunderttausenden Menschen an den Großdemonstrationen für ein schärferes US-Waffenrecht Tränen in die Augen. Seit Wochen setzen sie, ihr Mitschüler David Hogg und weitere Überlebende des High-School-Massakers sich gegen Schusswaffengewalt ein.

Das bringt den Teenagern Respekt ein – aber auch Häme und Verleumdungsversuche vonseiten konservativer Politiker und rechter Verschwörungstheoretiker im Internet. Steve King etwa, republikanischer Abgeordneter aus Iowa im US-Repräsentantenhaus, machte sich am Sonntag auf seiner offiziellen Facebook-Kampagnenseite über Gonzalez lustig. Stein seines Anstoßes: eine aufgenähte kubanische Flagge auf dem Jackenärmel der 17-Jährigen.

Erste-Hilfe-Kurse statt Demos

"So siehst du aus, wenn du dein kubanisches Erbe geltend machst, dabei aber kein Spanisch sprichst und die Tatsache ignorierst, dass deine Vorfahren von der Insel flohen, als die Diktatur Kuba in ein Straflager verwandelte und den Bürgern ihre Waffen und damit ihr Recht auf Selbstverteidigung nahm", schrieb der Politiker auf seiner Wiederwahl-Seite.

King war in den letzten Tagen nicht der einzige Politiker, der die Parkland-Teenager diskreditierte. Für Aufsehen sorgte auch der frühere republikanische Präsidentschaftskandidat Rick Santorum. Der Ex-Senator aus Pennsylvania verhöhnte die Teilnehmer der Anti-Waffen-Märsche. Statt zu demonstrieren, sollten die Schüler lieber Erste-Hilfe-Kurse belegen, sagte der 55-Jährige am Sonntag in der CNN-Sendung "State of the Union".

Die Reaktionen auf Twitter ließen nicht lange auf sich warten. Ein Arzt, der selber Menschen mit Schussverletzungen operiert hat, nannte die Äußerung unverschämt.

"Glatzköpfige Lesbe"

Leslie Gibson, ein Republikaner aus Maine, trat bereits Mitte März von seiner Kandidatur für das State House des Bundesstaates zurück. Grund: Er hatte Emma Gonzalez auf Twitter eine "glatzköpfige Lesbe" und einen ihrer Mitstreiter einen "kahlgesichtigen Lügner" genannt. Candice Keller, eine weitere Republikanerin aus Ohio, riet den Schülern , sie sollten weiter Chips essen und Videospiele spielen.

Gegenwind bekommen Gonzalez und andere Jugendliche auch auf Internetseiten rechter Verschwörungstheoretiker und in sozialen Medien. Eine gefälschte Videosequenz, in der Gonzalez vermeintlich die US-Verfassung zerreißt, ging binnen kürzester Zeit viral.

Die "Teen Vogue", für die Gonzalez eigentlich vor der Kamera gestanden und das Poster einer Zielscheibe zerrissen hatte, sah sich genötigt, die Fälschung aufzudecken.

Rechte Twitter-User wie der Autor und Filmemacher Dinesh D'Souza provozierten schon eine knappe Woche nach dem Massaker mit geschmacklosen Tweets. "Die schlechtesten Neuigkeiten seit ihre Eltern ihnen sagten, sie sollten sich in den Sommerferien einen Job suchen", schrieb er etwa am 20. Februar.

Vorwurf: "Krisen-Schauspieler"

Derweil wurde Parkland-Schüler David Hogg im Netz bereits kurz nach dem Amoklauf vorgeworfen, ein "Krisen-Schauspieler" zu sein. Ein entsprechendes Video, das auf YouTube kursierte, rangierte gar auf Platz eins der Top-Trending-Videos. Es zeigte einen Newsbeitrag zu einem völlig anderen Thema vom vergangenen Sommer, in dem Hogg zufällig vorkam, trug aber den Titel "DAVID HOGG THE ACTOR ...".

Nachdem YouTube dieses und ähnliche Videos entfernen ließ, wurde der Vorwurf der Zensur laut – etwa vom bekannten "Infowars"-Verschwörungstheoretiker Alex Jones.

Am Abend der "March For Our Lives"-Demos im ganzen Land, schoss sich schließlich auch die von den Teenagern angeprangerte Waffenlobby-Organisation National Rifle Association auf die Schüler ein: "Niemand würde eure Namen kennen", wenn nicht ein Schütze 17 Menschen an ihrer Schule getötet hätte, sagte ein Moderator auf NRATV. (mlr)