Wirtschaft

Plus 75 Cent! Wieso die Sprit-Preise explodieren werden

Angesichts der Klimakrise sind sich die meisten einig: Wir müssen weniger verbrennen. Vor diesem Hintergrund wird Sprit jetzt bald erheblich teurer.

Im Namen des Klimaschutzes werden die Spritpreise in Europa im nächsten Jahrzehnt wohl in nie dagewesene Höhen schnellen. 
Im Namen des Klimaschutzes werden die Spritpreise in Europa im nächsten Jahrzehnt wohl in nie dagewesene Höhen schnellen. 
Getty Images

Im Amtsblatt der Europäischen Union wurde am Dienstag etwas Bedeutendes festgehalten: Ab 2027 wird es für "CO2-Verschmutzungsrechte" ein eigenes Handelssystem geben. Diese Neuerung wird zu einem extremen Preissprung für alle fossilen Brenn- und Treibstoffe führen. Will man dann in der EU noch CO2 ausstoßen, muss man dafür Emissionszertifikate erwerben – und dafür tief in die Tasche greifen.

Ab 2027 gilt dieses System auch für den Straßenverkehr oder Heizungen. Eine klare Mehrheit des EU-Parlaments entschied sich im April zu diesem Schritt, für den Start des "Emissionshandelssystem II". Alle Abgeordneten von ÖVP, SPÖ, Grünen und Neos stimmten dafür – nur jene der Freiheitlichen nicht. Trotz der signifikanten Änderungen, die auf uns zukommen, wurde bisher nicht kommuniziert, was durch diesen Beschluss wirklich auf die Bürger zukommt. 

Zertifikate werden immer teurer

Schon 2030 könnte es durch den Emissionshandel zu folgender Situation kommen: Benzin, Diesel und Heizöl sind um 50 Cent teurer als aktuell. Wobei der Preis weiter steigen dürfte. Denn: Die von der EU angebotenen Zertifikate werden sukzessive weniger, um nicht nur Geld einzutreiben, sondern auch eine tatsächliche Reduktion der Emissionen zu erwirken. Sinkt die Zahl der Emissionszertifikate, werden sie selbstverständlich auch teurer.

Österreich hat bereits eine CO2-Steuer auf Treibstoffe – diese wird 2027 in das europäische CO2-Handelssystem eingespeist. Firmen, die mit Benzin, Heizöl oder Gas handeln, müssen dann Berechtigungen über das neue Emissionshandelssystem ersteigern. Hierzulande wird das vor allem die teilstaatliche OMV betreffen. 

Wie teuer wird's?

Offen ist aktuell noch, zu welchem Preis die Zertifikate angeboten werden. Eine Studie des Forschungsinstituts MCC in Berlin, beauftragt von der "Welt am Sonntag", hat sich der Frage angenommen. Österreichs Finanzministerium geht von Preisen zwischen 83 bis 130 Euro pro Tonne CO2 im Jahr 2030 aus, die Studienautoren setzen hingegen deutlich höher an.

So heißt es in der Studie: "Ohne umfassende Förderprogramme, Verbote oder Standards sind im Jahr 2030 Preise zwischen 200 und 300 Euro denkbar. Dies würde zu Preissteigerungen von Kraft- und Brennstoffen führen, die in ähnlichem Umfang wie in der Energiekrise 2022 liegen."

Drei Euro pro Liter ab 2040

Zum Vergleich: Derzeit liegt Österreichs CO2-Steuer bei 32,5 Euro pro Tonne CO2, was eine Verteuerung von Diesel und Benzin um etwa sieben Cent bewirkt. Grob kann man die zusätzliche Preisbelastung durch den Eingriff so berechnen: Bei CO2-Preisen von 100 Euro pro Tonne steigt der Benzinpreis um etwa 25 Cent, bei einem Preis von 200 Euro um etwa 50 Cent, bei einem Preis von 300 Euro um 0,75 Euro.

"Und die Preise werden weiter steigen, sodass wir 2035 bis 2040 mit Literpreisen von etwa drei Euro rechnen werden müssen. Das sind die erwartbaren Größenordnungen", erklärt Klimaökonom Erwin Mayer gegenüber dem "Kurier". "Die gute Nachricht ist, dass das Geld, das die EU über den Emissionshandel einnehmen wird, wieder an alle Haushalte über Effizienz- und Fördermaßnahmen zurückgegeben werden wird". Das Ganze läuft über den Sozialfonds der EU, der mit 65 Milliarden Euro prall gefüllt zu sein scheint. 

Experten kritisieren zögerliches Vorgehen

Obwohl der Handel schon 2027 anläuft, dürfte es erst 2030 zu einer deutlichen Verteuerung im Spritbereich kommen. Das liegt daran, dass "die EU-Kommission bis inklusive 2029 einen relativ niedrigen Mindestpreis von 45 Euro pro Tonne CO2" anstrebt, wie Wifo-Ökonomin Claudia Kettner-Marx dem "Kurier" verrät. Sie sieht die anfangs niedrige Bepreisung, die sogar unter dem österreichischen CO2-Pfad liegt, kritisch: "Auf europäischer Ebene wäre ein ambitionierter Preispfad sinnvoll gewesen, um die Klimaziele zu erreichen".

Ökonom Karl Aiginger schlägt in eine ähnliche Kerbe: "Ein höherer CO2-Preis ist absolut notwendig, vorteilhaft und nichts, wovor wir Angst haben sollten. Das wäre nur zu unserem Vorteil, weil wir damit nur schneller umsetzen, was wir ohnehin in den nächsten Jahrzehnten machen müssen, dann aber zu sehr viel schlechteren Bedingungen." Die Politik müsse viel klarer kommunizieren, dass sich nachhaltige Schritte wie ein Heizungstausch oder der Umstieg auf E-Autos mittel- und langfristig gesehen auch finanziell rentieren werden. 

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