Niederösterreich
Pflegeprozess Clementinum: War Heimleitung überfordert?
7. Tag im Prozess gegen 4 Ex-Angestellte des Pflegeheims Clementinum gestern in St. Pölten. Zeugen sprachen von einer Überforderung des Heimleiters.
Vorletzter Tag laut Plan am Mittwoch im Pflegeprozess Clementinum in St. Pölten. Gestern kristallisierten sich zwei Dinge immer mehr heraus: Die Leitung soll überfordert gewesen sein, im Heim sollen generell nicht die besten Zustände geherrscht haben.
Eine Krankenschwester meinte als Zeugin: „Die Vorfälle sind entsetzlich. Ich denke, die Bewohner sind traumatisiert. Ich frage mich, wo ich besser hätte hinsehen sollen."
"Stressbedingt rauer Ton"
Eine Kollegin sagte: „Es gab ein bis zwei Mal im Jahr interne und externe Prüfungen. Der Heimleiter verzichtete aber darauf. Es herrschte generell stressbedingt ein rauer Ton. Aber nicht den Bewohnern gegenüber.“ Von Überforderung vonseiten des Chefs sprach auch die zentrale Pflegedienstleiterin im Zeugenstand.
Arzt im Zeugenstand
Ein Arzt, der 30 Jahre lang Visite im Seniorenheim gemacht hatte, sagte: „Ich sah keinerlei Verlezungen, die nicht erklärbar waren. Ich war echt überrascht über die Dinge, die da vorgefallen sollen sein." Den angeklagten Diplompfleger (Anm.: der sich in der WhatsApp-Gruppe "Master of Death" genannt hatte) sagte der Mediziner: "Er war dynamisch, geschickt, klug und gut ausgebildet."
Grundsätzlich konnte man durchaus den Eindruck gewinnen, dass viele noch im Heim arbeitende Zeugen nicht schlecht über den Arbeitgeber sprechen wollten. Denn immerhin geht es auch um sehr viel Geld - Stichwort: privatrechtliche Ansprüche der Opfer und der Angehörigen.
So geht es weiter
Wie berichtet sollen vier Ex-Pfleger demente Bewohner gequält und misshandelt haben. Die Vorwürfe hören sich schauderhaft an: Von Abführmitteln, über Franzbranntwein im Geschlechtsbereich bis zur Verkleidung von Bewohnern zur mutmaßlichen Belustigung der vier Angeklagten (ein Mann und drei Frauen im Alter von 30 bis 55).
Nächste Woche spricht noch eine externe Expertin (Anm.: die jetzt für die nö. Patientenanwaltschaft arbeitet) und eine Belastungszeugin wird auf Wunsch des Anwaltes nochmals befragt. Ein Urteil am 18. November 2020 gilt als unwahrscheinlich. Es gilt für alle Angeklagten und Beteiligten die Unschuldsvermutung.