Ukraine
Bundesheer erklärt, woran Putins Armee jetzt scheitert
Der russische Vormarsch in der Ukraine stockt. Putins Armee kann nicht all ihre Kampfeinheiten zu versorgen. Ein Austro-Offizier erklärt die Probleme.
Rund 200.000 Soldaten mit 120 motorisierten Bataillonskampfgruppen, die aktiv an Kampfhandlungen beteiligt sind, hat Wladimir Putin bereits in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine an die Front geworfen. Die Versorgungslogistik seiner Armee geht dabei aber in die Knie.
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Pro Tag (!) müssen rund 800 Tonnen Verpflegung und 4 Millionen Liter Kraftstoff für Panzer und anderen Fahrzeuge mitten ins Feindesland transportiert werden. "Der Bedarf ist enorm", erklärt der Militär-Logistikexperte Oberst Andreas Alexa des österreichischen Bundesheeres am Mittwoch.
"Wenn man jetzt davon ausgeht, dass eine Bataillonskampfgruppen für fünf Tage autark ist, dann muss spätestens am dritten Tag eine Wiederauffüllung passieren." Doch das schafft die russische Armee oftmals nicht.
Russen-Moral im Keller
Die Ukraine ist ein riesiges Land, schlechtes Wetter macht Fahrten querfeldein oft unmöglich. So müssen sich die Versorgungsrouten an den befestigten Straßen und dem Eisenbahnnetz orientieren. Leichte Ziele für Saboteure und schnelle Überfälle.
"Es gibt nach wie vor Anschläge, Sprengungen von Brücken und Störung der Eisenbahn", schildert Alexa. Diese "Nadelstiche" würden die Versorgung des russischen Vormarsches empfindlich stören und hätten gewaltige Auswirkungen auf die Kampfmoral von Putins Soldaten: "Sie müssen sich nur vorstellen, bekommen Sie zwei Tage kein Essen, bekommen Sie drei Tage kein Essen, bekommen Sie keinen Sprit... Das Vertrauen in die Führung schwindet massiv", weiß der Bundesheer-Experte.
Armee hat zu wenige Lkws
Er schätzt, dass die russischen Versorgungskonvois maximal mit Tempo 30 ins Feindesland nachrücken könnten. Durch die langen Wegstrecken müssten zudem immer mehr und mehr Fahrzeuge auf die Straßen gebracht werden – diese besitzen die russischen Streitkräfte aber schlicht nicht. Sie setzten bereits vor dem Krieg viel stärker auf den Transport per Schiene. Deshalb würde auch jetzt die "Masse der Angriffe entlang oder in Anlehnung an wichtige Eisenbahnlinien" erfolgen.
Neben dem Verkehrsknoten Charkiw im Nordosten seien deshalb auch die Küstenstädte Mariupol und Odessa von elementarer Bedeutung für das russischen Vorankommen. Dort gibt es neben den Seehäfen auch wichtige Bahnhöfe mit Nord-Süd-Verbindung.
Sanktionen lassen Basis bröckeln
"Anscheinend ist Russland davon ausgegangen, dass es ein kurzer Angriffskrieg wird. Daher hat man möglicherweise die Bevorratung, die Ausstattung der angreifenden Verbände mit logistischen Ressourcen vernachlässigt", analysiert Alexa. Der massive Widerstand habe diese Pläne aber vereitelt.
Aus diesem Grund errichten die Russen nun vorgeschobene Versorgungsposten auf ukrainischem Gebiet. Weil Putins Armee aber selbst in den okkupierten Gebieten "keine territoriale Hoheit" besitzen, müssen die Lager bewacht werden. "Auch diese Sicherung bindet wieder Kampfelemente, die man für andere Einsätze nicht verwenden kann", rechnet der Offizier vor.
Und: Die benötigten Mengen an Nachschub in der Ukraine selbst aufzutreiben, ist den Russen nicht möglich. Alles muss weiterhin aus dem eigenen Staatsgebiet herangekarrt werden. "Die strategische Basis Russland besteht im Wesentlichen aus der Rüstungsindustrie, aus der zivilen Wirtschaft und militärischen Depots und Lager", sagt der Experte. Genau diese könnte sich als Achillesferse der gesamten "speziellen Militäroperation" erweisen. Die heftigen internationalen Sanktionen greifen genau diese wirtschaftliche Basis an.