Politik
Österreicher sorgt für Staats-Shutdown in Bosnien
Verbot der Leugnung von Völkermord erregt die bosnischen Serben. Ihr drohender Boykott könnte das Balkan-Land politisch völlig lahmlegen.
Der Staat Bosnien und Herzegowina setzt sich aus der Teilrepublik Srpska und einer muslimisch-kroatischen Föderation zusammen. Alle drei Teile sind in der Präsidentschaft vertreten, der Vorsitz rotiert in regelmäßigen Abständen durch. Die serbischen Vertreter rufen nun zum Boykott der Institutionen auf – und könnten so den Staatsapparat, der auf dem Konsens der drei Fraktionen aufgebaut ist, völlig lahmlegen.
Harte Strafen für Völkermord-Leugner
Grund dafür ist ausgerechnet ein Österreicher. Der scheidende UNO-Gesandte für Bosnien und Herzegowina Valentin Inzko hatte wenige Tage vor dem Ende seines Mandats, die Macht seines Amtes noch einmal bis zum Anschlag ausgenutzt.
Mittels der Anwendung der "Bonner Befugnisse" hat er der lokalen Politik eine Änderung im Strafgesetzbuch vorgeschrieben. Durch diese soll künftig das Leugnen von Völkermord mit mindestens sechs Monaten bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden.
Inzko zielte damit im Kern auf das vom UN-Kriegsverbrechertribunal als Genozid eingestufte Massaker von Srebrenica im Juli 1995 ab.
"Es gab keinen Genozid"
Die serbischen Vertreter toben vor Wut: "Ab morgen werden die serbischen politischen Vertreter nicht mehr an der Arbeit der gemeinsamen Institutionen von Bosnien und Herzegowina teilnehmen", erklärte Branislav Borenović, einer der Oppositionsführer der serbischen Teilrepublik Srpska.
Neben Borenović verurteilte auch der serbische Präsidentschaftsvertreter Milorad Dodik die überraschende Gesetzesänderung und drohte mit der "Auflösung" des Landes. "Nach diesem Schritt kann Bosnien nicht funktionieren", verlautbarte der mächtige Politiker. "Ich denke, es gibt keine andere Option für die Republik Srpska, als einen Auflösungsprozess zu beginnen". Und: "Es gab keinen Genozid – und das ist die Meinung von uns allen."
"Gewissensentscheidung"
Es ist laut "FAZ" das erste Mal seit vielen Jahren, dass die "Bonner Befugnisse" zur Anwendung kommen. Der letzte große Eingriff durch den UN-Repräsentanten fand 1999, damals durch den spanischen Ex-Außenminister Carlos Westendorp, statt. Austro-Diplomat Inzko wird mit der Aussage zitiert, das Völkermord-Gesetz sei eine "Gewissensentscheidung" gewesen.
Den Scherbenhaufen wegräumen, muss nun ein anderer. Ab 1. August folgt der ehemalige deutsche Landwirtschaftsminister Christian Schmidt Inzko als Hoher Repräsentant für Bosnien und Herzegowina nach.